Julia Sommerliebe 0020
überrascht.
„Ja.“ Offenbar hatte er etwas anderes erwartet. Hatte er sie tatsächlich gerade erleichtert angesehen? Sie war sich nicht sicher und verdrängte den Gedanken. „Nonna Maria ist Italienerin. Elba und der Strand beim Dreizack des Neptun haben für sie eine ganz besondere Bedeutung. Sie war vor fünfzig Jahren einmal hier und träumt seitdem davon, zurückzukommen. Aus … aus verschiedenen Gründen war ihr das bisher nicht möglich“, fügte Gina vorsichtig hinzu, denn sie wollte nicht auf ihre schwierige finanzielle Situation eingehen und das alles eigentlich auch nur dem Besitzer der Villa anvertrauen. Denn nur er würde ihr helfen können.
„Und was ist vor fünfzig Jahren passiert, dass es eine so große Bedeutung für sie hat?“, fragte Seb interessiert nach.
„Nonna Maria war damals neunzehn Jahre alt. Sie und ihre Familie lebten in Siena und machten Urlaub auf Elba“, begann Gina zu erzählen. „Matthew McNaught war gerade einundzwanzig und arbeitete als Maschinist auf einem Schiff. Er verbrachte ein paar freie Tage mit Freunden auf der Insel, während das Schiff repariert wurde. Sowohl Maria als auch Matthew wollten damals etwas Zeit allein verbringen. Dann begegneten sie sich am Strand, beim Felsen des Neptun, und verliebten sich sofort ineinander.“
Erstaunt zog Seb die Augenbrauen hoch. „An diesem Strand?“
„Ja. Laut meiner Großmutter hat hier damals noch niemand gewohnt.“
„Und was passierte dann?“
„Matthew bat Maria, mit ihm nach Schottland zu gehen und seine Frau zu werden. Ihre Familie war absolut dagegen. Nonna Maria sollte mit ihnen wieder nach Siena zurückkehren.“
„Wie hat sie sich entschieden?“
Als sie in seine karamellfarbenen Augen blickte, verschlug es Gina einen Moment lang den Atem. „Sie hat sich für Matthew entschieden“, erwiderte sie dann stockend und räusperte sich. Was hatte dieser Mann nur an sich, dass er sie so durcheinanderbrachte?
„Dass sie sich mit ihrer Familie überworfen hatte, schmerzte meine Großmutter sehr, und es kam zu keiner Versöhnung. Aber die Entscheidung hat sie trotzdem nie bereut. Denn dank der zufälligen Begegnung, die damals ihr Leben veränderte, erlebte sie fünfzig Jahre liebevoller Zweisamkeit, in guten wie in schlechten Zeiten.“
„Sie scheinen eine Romantikerin zu sein.“ In Sebs Stimme lag dieselbe leichte Ironie wie in seinem Lächeln.
„Nein, eigentlich nicht“, erwiderte Gina deutlich kühler, auch weil sie sich zu gut daran erinnerte, wie Malcolm ihre Ideale mit den Füßen getreten hatte. „Ich weiß nur, dass es bei meinen Großeltern funktioniert hat. Es muss sehr schwer für Nonna Maria gewesen sein: weit weg von ihrer Familie und ihrer Heimat in einem fremden Land zu leben, dessen Sprache sie nicht beherrschte. Und ihr Mann war viele Monate auf See, bis er Arbeit in einer Werft bei Glasgow fand. Sie haben alles überstanden. Sie liebten sich und waren glücklich.“
Die Geschichte ihrer Großeltern hatte Gina ihr Leben lang begleitet, doch irgendwann hatte sie die Hoffnung verloren, selbst eine solche märchenhafte Liebe zu erleben. Das lag an Malcolm. Außerdem hatte Gina sich zwischen ihren Bedürfnissen und denen ihrer Großeltern entscheiden müssen. Seitdem ignorierte sie ihre Wünsche und Lebensträume, so gut sie konnte. Denn Gina war niemandem begegnet, der sie und die Werte verstand, die ihr wichtig waren. Sie rechnete auch nicht mehr damit, dass sich das änderte.
„Und Ihr Großvater ist nicht mit nach Elba gekommen?“
Sebs Frage riss Gina aus ihren Gedanken und weckte den tiefen Schmerz.
„Gina?“
„Nein“, sagte sie leise und hielt seinem besorgten Blick stand. „Er ist vor einigen Monaten gestorben.“
Sanft berührte er ihren Arm. „Das tut mir leid, cara Gina.“
„Danke.“ Gina dachte an ihre Großmutter, die ganz verloren war ohne den Mann, der fünfzig Jahre lang ihr Freund, Ehemann, Geliebter und Vertrauter gewesen war. Und auch Gina fehlte ihr Großvater schmerzlich. „Es ist nicht einfach … besonders für Nonna Maria. Der schwere Verlust macht ihr sehr zu schaffen, deshalb musste sie unbedingt herkommen.“
Die Stelle, wo sich ihre Haut berührte, fühlte sich plötzlich ganz warm an. Gina versuchte, es zu ignorieren und sich nicht davon hinreißen zu lassen. Doch es war, als hätte tief in ihrem Innern etwas zu tauen begonnen, sodass die sinnliche Frau wieder zum Vorschein kam, die so lange in ihr geschlummert hatte. Als Seb seine Hand
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