Julia Sommerliebe 0020
einmal um und winkte. Victoria winkte zaghaft zurück, bevor sie sich in ihrem Sitz zurücklehnte und die Augen schloss. Die Tränen, die sie bis jetzt zurückhalten konnte, flossen ungehindert ihre Wangen hinunter.
Noch nie im Leben hatte sie sich so alleine gefühlt.
Das Letzte, was Rodolfo jetzt gebrauchen konnte, war Alexa. Er wollte alleine sein, wollte nachdenken und sich sammeln. Wie er es auch nur in Erwägung ziehen konnte, diese Frau zu heiraten, war ihm ein Rätsel.
„Ich habe wirklich sehr viel zu tun, Alexandra. Ich rufe dich an, wenn ich etwas Zeit finde.“
Mit einem knappen Nicken verabschiedete er sich und kehrte zum Wagen zurück, stieg ein und ließ den Motor an. Doch anstatt direkt zum Castello zurückzufahren, fuhr er langsam die Küstenstraße entlang und dann weiter zu den Plätzen, die er mit Victoria besucht hatte. War es richtig gewesen, sie gehen zu lassen? Wie würde sie allein in Hollywood zurechtkommen?
Und wie werde ich zurechtkommen?, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf.
Schluss jetzt. Er hatte kein Recht, sie aufzuhalten. Auch wenn er es nur zu gern getan hätte. Sie mussten ihr Leben weiterleben, sie ihres und er seins. Er musste sich um sein Land kümmern. Er musste an Malvarina denken, eine geeignete Ehefrau finden und für einen Erben sorgen. Und Victoria würde bald schon den nächsten Film drehen, würde Interviews geben und sich auf Partys amüsieren.
Rodolfo stoppte den Wagen, schaute auf das klare blaue Meer hinaus und atmete tief durch. Er und Victoria lebten in getrennten Welten. Je schneller er sich dieser Tatsache bewusst wurde, desto besser.
8. KAPITEL
Nur drei Tage blieben ihr in Hetherington, bevor sie weiter nach Los Angeles musste. Victoria war entschlossen, jede Minute davon auszukosten. So saß sie an ihrem Lieblingsplatz im Haus ihrer Mutter, am Erkerfenster auf der breiten Fensterbank. Der Erker mit seinen vielen bunten Kissen und dem Blick in den Garten lud zum Träumen ein. Victoria beobachtete, wie der Regen gegen die Scheibe prasselte und in den feuchten Blumenbeeten unter dem Fenster landete. Wie sie dieses alte Haus liebte – die Ruhe, den Frieden, die warme Atmosphäre. Mehr Gegensatz zu ihrem Leben in Hollywood konnte es gar nicht geben.
Ihre Mutter war heute in London, und Victoria hatte es sich zu Hause gemütlich gemacht. Sie trug eine alte Jeans und einen übergroßen Strickpulli, der einst ihrem Vater gehört hatte. Zu ihren Füßen lag der schwarze Labrador Timmy, der überglücklich war, sein Frauchen endlich wieder für sich zu haben. Victoria versuchte sich auf das Drehbuch in ihren Händen zu konzentrieren, doch ihre Gedanken schweiften immer wieder ab nach Malvarina und zu den wunderbaren Stunden, die sie mit Rodolfo verbracht hatte.
Was er in diesem Augenblick wohl gerade tat? Victoria wandte den Blick vom Text ab und sah verträumt aus dem Fenster. Hielt er sich im Castello auf? Oder war er mit dieser schrecklichen Alexa zusammen? Beim bloßen Gedanken daran verkrampfte sich ihr Herz. Andererseits: Sie hatte kein Recht, über ihn zu urteilen – sie hatte überhaupt kein Recht auf irgendetwas. Außer auf ihre Erinnerungen.
Sie hatte eine bewusste Wahl getroffen: in seinen Armen erwachsen zu werden. Und sie bereute es nicht. Nun ja, fast nicht. Schwierig zu ertragen war die Tatsache, dass es lediglich ein Abenteuer gewesen war, ein schöner Traum, aus dem sie nun erwachte.
Beziehungsweise endlich erwachen sollte.
Dieser letzte Gedanke quälte sie am meisten. Sie hatte sich doch vorgenommen, das Abenteuer mit Rodolfo zu genießen, vielleicht ein paar schöne Erinnerungen mitzunehmen, aber nicht mehr. Spätestens jetzt wurde ihr klar, wie schwierig es war, diesem Vorsatz gerecht zu werden. Rodolfo war in ihren Gedanken, immer und überall. Wo sie auch war und was sie auch tat, immer wieder sah sie ihn vor sich: sein Lächeln, seine dunklen Augen und seinen durchdringenden Blick. Die sanften Worte, wenn er sie liebte. Die überwältigende Leidenschaft, die sie in seinen Armen gefühlt hatte.
Würde sie es schaffen, je wieder etwas Ähnliches zu empfinden? Das Drehbuch rutschte ihr von den Knien, und Victoria lehnte sich seufzend in die Kissen zurück. Der bloße Gedanke, mit einem anderen Mann zusammen zu sein, war ihr zuwider. Sie schluckte. Vielleicht würde sie Rodolfo mit der Zeit vergessen können. Doch im Moment schien es ihr unmöglich. Mit jeder Faser ihres Herzens vermisste sie ihn, lebte sie für ihn und träumte
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