JULIA SOMMERLIEBE Band 21
ab.
„Oh, Gott …“Vivians Faust schnellte vor Erschütterung an ihren Mund.
Nicholas legte seine Hand auf ihren Arm und senkte ihn mit sanftem Druck. Ihn überraschte es nicht im Mindesten, dass sie so voller Mitgefühl für den Mann war, der versucht hatte, ihr weh zu tun. Längst hatte er erkannt, dass sie ein herzlicher, gütiger Mensch war.
„Nein“, beruhigte er sie, „er ist nicht tot. Aber sein Zustand ist sehr schlecht.“ Seine Stimme klang düster, dennoch streichelte er beruhigend über ihre Hand. Nach einer bequemeren Position suchend, verlagerte Nicholas sein Gewicht.
Vivian hatte das Gefühl, als würde er nun noch mehr Wärme ausstrahlen, die sie ganz einnahm, völlig umhüllte. Wie gut das tat! Sie schmiegte sich enger an ihn.
„Erst sorgte ich dafür, dass er ins Krankenhaus gebracht wurde. Als ich sicher sein konnte, dass er versorgt wurde, begann ich seinen Schreibtisch und seine Akten zu durchsuchen. Ich musste mir die Gewissheit verschaffen, dass seine unglaublichen Behauptungen der Wahrheit entsprachen. Schließlich fand ich auch den Ordner, den er über dich angelegt hatte. Außerdem noch Belege all dieser Rechtsgeschäfte mit eurem Unternehmen, Marvel-Mitchell. Fassungslos stellte ich fest, dass er kurz davor stand, seinen Racheplan in die Tat umzusetzen – ausgerechnet auf Nowhere! Während ich mich eigentlich auf einer geplanten Auslandsreise in Florida befunden hätte.“
Seine Stimme war immer härter geworden. Vivian spürte, wie die Muskeln seiner Brust sich anspannten, so als wappne er sich gegen die grausame Wahrheit, der er ins Auge blicken musste.
„Auf meiner Insel!“, fuhr er versteinert fort. „An dem Ort, an den ich für gewöhnlich kam, um vor seinen heimtückischen Eingriffen in mein Leben zu entfliehen. Weißt du, das war ein Teil seiner krankhaften Wahnvorstellung“, fügte er müde hinzu. „Dass er das alles um meinetwillen tat. Als ich seine teuflischen Pläne aufgedeckt hatte, warf ich zuallererst den schmierigen Typen hinaus, den mein Vater angeheuert hatte, um die dreckige Arbeit zu erledigen. Anschließend bin selbst hierher geflogen …“ Unruhig rutschte Nicholas hin und her. Er zögerte.
„Um seinen Platz einzunehmen?“, forderte Vivian ihn auf fortzufahren.
Er stützte sich auf einen Ellenbogen. Zerknirscht sah er sie an und meinte kläglich: „Eigentlich bin schnurstracks hierher geeilt, um dich zu retten. Um mich zu entschuldigen und zu versuchen, alles wieder ins Lot zu bringen und dir den Zustand zu erklären, in dem sich mein Vater befindet …“
Vivian unterbrach ihn. „Mich zu retten? Dich zu entschuldigen?“ Ungläubig sah sie ihn an. „Indem du mich unter Drogen setzt, mich nackt in deinem Bett fotografierst und mir drohst, mich zu zwingen, dein Baby zu bekommen?“ Ihre Stimme schien sich zu überschlagen. „Und du erwartest von mir, dass ich dir glaube, dass du so alles wieder ins Lot bringen wolltest?“
Fasziniert beobachtete sie, wie er tatsächlich rot wurde. Unbehaglich rückte er seine Augenklappe zurecht. Das war die erste nervöse Geste, die sie jemals an ihm zu sehen bekommen hatte. Auch wenn er sich dieser Handbewegung wahrscheinlich gar nicht bewusst war.
„Na ja, du warst ja nicht ganz nackt. Und außerdem war das zum Teil dein eigener Fehler.“
Nun schlug es aber dreizehn! Das konnte er nicht ernst meinen. „ Mein Fehler? Was willst du damit sagen?“
Er hob seine Hände, als wolle er sich verteidigen. „Ich habe deine Schwester erwartet!“ Mit gerunzelter Stirn fuhr er fort: „Ich beabsichtigte, mich äußerst gesittet und zurückhaltend aufzuführen. Dann wollte ich meine Handlungsvollmacht ausnutzen, um den Einigungsvertrag zu unterzeichnen, und Janna dankbar zum Abschied zuzuwinken. Doch dann kamst du. Ich warf nur einen Blick auf dich und war verloren.“ Der Klang seiner Stimme wurde bei dieser Erinnerung dunkler und rau. Vorsichtig begann er, mit ihren feuchten rötlichen Locken zu spielen. „Ich wollte dich mehr als jede andere Frau, die ich bisher haben wollte. Ich habe dich gesehen, dich berührt und ich wusste einfach, dass wir füreinander geschaffen sind. Ich wusste, dass du die gleiche, mächtige Anziehungskraft fühltest wie ich …“
Vivian spürte, wie die Hitze sich in ihr ausbreitete.
„Aber ich wusste ebenfalls aus der Akte meines Vaters, dass du eine Woche später heiraten wolltest. Mir blieb also nicht viel Zeit. So beschloss ich, einige drastische Abkürzungen zu nehmen
Weitere Kostenlose Bücher