JULIA SOMMERLIEBE Band 21
„Ich vermute, du hast dieses Mal nicht einfach nur etwas vorgegeben!“
Unvermittelt fühlte Vivian, wie ihr ganzer Körper wohltuend gefühllos wurde. Selbst die Wunden ihres blutenden Herzens wurden durch die Kälte betäubt. „Wieso?“, flüsterte sie. „Wieso hast du dir die Mühe gemacht, zu kommen und mich zu holen?“
„Was zur Hölle glaubst du denn? Weil ich dich liebe!“, polterte er aufbrausend. Er würdigte sie keines Blickes, sondern fing an, mit ganzem Körpereinsatz zu winken, als wolle er jemandem ein Zeichen geben.
Unwillkürlich folgte sie seinem Blick. Mit Schrecken erkannte Vivian verschwommen die Umrisse einer weißen Barkasse. Ihre Augen brannten unerträglich. Dennoch beeindruckte sie die Größe des Schiffes: Es war so groß wie ein Ozeandampfer und kam schäumend auf sie zu.
„Küstenwache?“, raunte sie erschöpft. Sie war keines klaren Gedankens mehr fähig.
„Nein. Mein Boot. Die Hero. Sie war in den vergangenen Tagen auf einer Vermessungsreise auf hoher See unterwegs. Als ich deine Kleider am Strand verstreut fand, rief ich sie und setzte ihren Radar ein, um dich zu finden“, erklärte er ihr regungslos, ohne sich zu ihr umzudrehen. „Ahoi! Derek!“, rief er laut. „Wirf die Schlinge runter, ja?“
Derek folgte den Anweisungen seines Bosses. Laut platschend landete das dicke Tau auf dem Boot.
Vivian wollte das alles nicht sehen. Mit letzter Kraft schloss sie die Augen. Sie spürte, wie sie angeschnallt und fortbewegt wurde, als sei sie ein unerwünschtes Paket, das man von Hand zu Hand reichte. Doch dann endlich nahmen sie wieder die vertrauten starken Arme in Empfang. Nun wagte sie es auch, die Augen wieder zu öffnen.
Nicholas trug sie einen hell erleuchteten Gang hinunter in eine geräumige weiße Kabine. Mit dem Fuß schloss er die Tür. Sacht stellte er sie auf ihre Füße. Einen Augenblick verschwand er in einen angrenzenden Raum und kam mit einem Handtuch gleich darauf wieder zurück. Wie Espenlaub zitternd stand Vivian vor ihm. Also beeilte er sich, den viel zu großen Taucheranzug von ihrem ausgekühlten Körper zu streifen.
Ein sonderbar zärtlicher Zug umspielte seinen Mund, als er die smaragdgrüne Unterwäsche sah, die sie darunter trug.
Ein kleines Stückchen ihres Herzens ließ sich von seinem Lächeln erweichen. War es möglich, dass sie es sich nicht eingebildet hatte? Dass er es am Ende doch gesagt hatte? Sie wagte kaum, es zu hoffen.
„Meine Lieblingsunterwäsche“, murmelte er sanft und ließ seine schlanken Finger über die vom Seewasser durchtränkte Spitze gleiten. „Unterwäsche, die zu deinen Augen passt.“
Behutsam streifte er ihr auch den BH und den Slip ab, ehe er sie kräftig mit dem flauschigen Handtuch abtrocknete. Anfänglich protestierte sie noch gegen die raue Behandlung, doch er ignorierte ihre Einwände.
Als das Blut an die Oberfläche ihrer eisigen Haut zurückkehrte, schrie sie vor Schmerzen auf. Ihre Haut kribbelte und pochte.
„Stell dich nicht so an wie ein kleines Kind!“, wies er sie zurecht. Er rubbelte ihre Haare kräftig ab und verwandelte ihre tropfnassen Strähnen so zu einer dunkelroten Lockenmähne. Nachdem er die Tortur beendet hatte, hauchte er ihr als Belohnung einen zarten Kuss auf ihre blauen Lippen. „Wir müssen dich ganz schnell auftauen“, erklärte er.
Vivian beobachtete mit großen Augen, wie er seine eigene Kleidung ablegte, sie bei der Hand nahm und mit ihr auf die breite Koje zusteuerte. Einladend schlug er die Decke zurück.
Wohlig kuschelte sie sich in die weichen Kissen und ließ sich von ihm zudecken. Sie protestierte nicht, als er sich neben sie legte, sondern genoss die Wärme seiner Haut.
Unterdessen wurden die gewaltigen Schiffsmotoren angelassen und fanden dröhnend zu voller Kraft. In dem kupferbeschlagenen Bullauge über ihren Köpfen sah sie, wie die Wolken allmählich über sie hinwegglitten.
„Das alles hier ist rein wissenschaftlich. Du bist vollkommen unterkühlt, dein Kreislauf muss dringend wieder angeregt werden“, sagte er und drückte sie fest an sich.
Die sinnliche Hitze, die sein Körper ausstrahlte, wärmte sie von Kopf bis Fuß. Eng umschlungen lagen sie da: Brust an Brust, Bauch an Bauch, Beine an Beine.
Ein Schauer durchfuhr ihn und er vergrub sein Gesicht in ihrer Halsbeuge. „Oh, Gott! Das fühlt sich so gut an!“, raunte er ergriffen.
Vivian wusste, was er meinte. Denn auch ihr ging es so. Tränen der Erschöpfung und Verwirrung bahnten sich einen
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