JULIA SOMMERLIEBE Band 21
aneinandergekettet“, versuchte sie zu scherzen.
„Das ist wahr.“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Und? Was treiben Strohwitwen in London? Zählst du die Stunden, bis dein Mann endlich wieder bei dir ist?“
„Weit gefehlt“, gab sie zurück. „Ich genieße mein Leben, gehe aus und treffe Freunde.“
„Tja, wenn das stimmt“, entgegnete er langsam, „könnten wir uns doch vielleicht auch mal verabreden.“ Eindringlich sah er sie an. „Marisa, wenn wir uns nicht zum Lunch sehen können, dann könnten wir uns doch zum Dinner treffen. Bitte. Um acht Uhr im Chez Dominique? Um der alten Zeiten willen?“
Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass die alten Zeiten für immer vorbei waren. Dass diese Zeiten seit dem Tag vorbei waren, als er zugelassen hatte, aus ihrem Leben gerissen und nach Hongkong versetzt zu werden. Dass diese Zeiten vorbei waren, weil er nicht darauf vorbereitet gewesen war, gegen einen Mann um sie zu kämpfen, der die Macht hatte, seine berufliche Karriere mit einem einzigen Wort zu vernichten.
Ich kann ihn nicht allein für das Geschehene verantwortlich machen, ermahnte sie sich. Sie hatten sich ein paarmal geküsst, lieber Himmel! Und als ihre Cousine Julia sie erwischt hatte, hatte sie Alan nahegelegt, sofort das Haus zu verlassen. Das war das jähe Ende ihrer jungen Liebe gewesen.
Und es war die entsetzliche Nacht gewesen, in der Marisa erfahren hatte, welche Zukunft vor ihr lag und was man von ihr erwartete.
Wenn Alan tatsächlich mein Liebhaber gewesen wäre, dann wäre ich keine Jungfrau mehr gewesen und diese Hochzeit mit Lorenzo hätte niemals stattgefunden. Aber das wurde mir viel zu spät klar. Alan war an dem Abend schon weg, und außerdem … waren meine Gefühle für ihn stark genug, um mit ihm den letzten Schritt zu gehen?
Die Erinnerung jagte ihr einen Schauer über den Rücken. „Alan … wegen heute Abend …“, brachte sie stockend hervor. „Ich weiß nicht, und … ich muss jetzt los.“
„Ich werde einen Tisch bestellen und dort auf dich warten“, gab er unbeirrt zurück. „Alles Weitere liegt bei dir.“
Ein unsicheres Lächeln huschte über ihre Lippen. „Wie auch immer – es war schön, dich wiederzusehen.“ Damit ging sie eilig davon.
Auf die Minute pünktlich betrat Marisa die Galerie. Dennoch wartete Corin bereits ungeduldig. Er war nervös wegen des bevorstehenden Termins mit seinen Anwälten.
„Seine Scheidung läuft, und es ist eine sehr schwierige Zeit für ihn“, hatte Dinah sie gewarnt, als sie Marisa den Job vermittelt hatte. „Das Problem ist, dass er seine Frau noch immer liebt. Ihr einziges Interesse dagegen gilt seinem Besitz – und dem Ziel, möglichst viel davon zu bekommen. Ab und zu braucht er eine Schulter, an der er sich ausweinen kann.“ Lächelnd hatte sie Marisa angesehen. „Kommst du damit klar?“
„Selbstverständlich“, hatte Marisa entgegnet. Vielleicht kann ich daraus sogar etwas für meine eigene Scheidung lernen, hatte sie gedacht.
Falls es jemals dazu kommen sollte.
Auf jeden Fall würde sie darauf verzichten, etwas von dem Santangeli-Vermögen zugesprochen zu bekommen, denn das Einzige, was sie wollte, war ihre Freiheit. Eine Ansicht, die Lorenzo hoffentlich mit ihr teilte.
„Ich gehe dann jetzt.“ Corin riss sie aus ihren Gedanken. „Falls Mrs. Brooke wegen des Aquarells anruft …“
„Der Preis ist nicht verhandelbar“, ergänzte Marisa und lächelte ihn ermutigend an. „Keine Sorge, ich werde nicht mit mir handeln lassen. Jetzt geh, sonst kommst du zu spät.“
„Du hast recht.“ Er seufzte schwer.
Sie sah ihm nach, als er geknickt die Galerie verließ. Er hat allen Grund, verzweifelt zu sein, überlegte sie. Seine Frau wollte nicht nur das gemeinsame Haus, sie hatte auch Anspruch auf einen großen Teil der Galerie, deren Finanzierung damals überwiegend ihr Vater übernommen hatte.
„Ihr Vater würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, was Janine da tut“, hatte Dinah, deren Vater ein enger Freund von Janine Langfords Eltern gewesen war, erklärt. „Wenn sie die Leitung der Estrello Gallery übernimmt, wird sie Corin sofort hinauswerfen und die Galerie schließen.“
„Aber die Galerie ist unter Corins Führung unglaublich erfolgreich“, hatte Marisa erstaunt eingewandt. „Er ist ein hervorragender Geschäftsmann und die Kunden vertrauen ihm.“
„Denkst du, das interessiert sie?“ Dinah hatte verächtlich geschnaubt. „Keineswegs. Das Einzige, was sie sieht, ist,
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