JULIA SOMMERLIEBE Band 21
Überlegenheit, um mir Ihren Willen aufzuzwingen.“
„Natürlich tue ich das“, sagte er schamlos. „Warum geben Sie nicht zu, dass Ihnen diese Idee gefällt? Zwei Menschen, die nur dazu da sind, sich gegenseitig Vergnügen zu bereiten. Ein Mann und eine Frau, die bereit sind zu heiraten.“
Nein … es war Irrsinn, und sie musste dagegen ankämpfen.
„Lassen Sie mich gehen!“ Sie drückte gegen seine Schultern, die stark und unnachgiebig waren. „Ich will zu meiner Familie nach England zurück. Meine Tante hatte mich davor gewarnt, hierher zu kommen. Sie meinte, dass ich mich nur in Schwierigkeiten bringen würde …“
„Eine Dame mit Weitblick“, sagte er gedehnt. „Vielleicht dürfte ich Sie noch mal daran erinnern, dass ich Sie gestern auf der Straße davor bewahrt habe, in einem kalten Sarg zurück nach England zu fliegen.“
Linda erschauerte bei dem Gedanken an die gestrigen Ereignisse. „Das ist emotionale Erpressung, um mich zu zwingen, Ihrem Willen zu gehorchen. Es ist rücksichtslos und … und sehr herzlos.“
„Und sehr ehrlich.“ Er nahm ihre Hand und presste sie gegen seine Brust, dort wo sein Herz trotz allem erstaunlich regelmäßig schlug. „Mein Herz ist nichts als eine Maschine in meinem Körper und ist nie von diesem Gefühl, das die Menschen als Liebe bezeichnen, berührt worden. Als Kind hatte ich weder Mutter noch Vater, die ich hätte lieben können. Das Gesicht meiner Mutter kenne ich nur von einem Porträt. Ich habe nie erfahren, wie es ist, voller Sehnsucht morgens oder abends in meinem Kinderzimmer auf sie zu warten. Ich habe nie ihr Parfüm eingeatmet oder ihren Kuss auf meiner Wange gespürt. Ich bin mit Menschen großgeworden, die dafür bezahlt wurden, dass sie sich um mich kümmerten. Später wurde ich dann auf eine Schule geschickt, wo den Jungen Selbstbeherrschung beinahe eingeprügelt wurde. Danach kam ich auf eine Militärakademie. Gleich in meinem ersten Jahr dort wütete ein Krieg im Mittleren Osten. Also wurde ich Soldat, habe meine Feinde getötet und gesehen, wie deren Kameraden getötet oder verletzt wurden.“
Er hielt inne, als wollte er Linda Zeit lassen, die Worte in sich aufzunehmen. „Ich will, dass mein Kind seine Mutter kennt und liebt. Und von ihr geliebt wird. Ich bitte Sie nicht um Ihre Liebe, aber ich spüre, dass Sie die Fähigkeit zur Liebe haben. Und ich bin rücksichtslos genug, Sie hier und jetzt zu nehmen. Und glauben Sie mir, wenn ich Sie wieder aus meinen Armen entlasse, werden Sie mein Kind in sich tragen.“
Er hatte mit solch kalter Entschlossenheit gesprochen, dass Linda nur schockiert dastehen konnte. Sie hätte nie geglaubt, dass ein Mann einmal so etwas zu ihr sagen würde. Ihr geregeltes Leben hatte sie bisher vor Leidenschaft bewahrt, die mit fast grausamer Klarheit auf seinen Zügen lag.
Ihr Blick wanderte über sein Kinn, das nur zu deutlich seine Kraft und Männlichkeit spiegelte. Sie spürte, wie sich alles in ihr zusammenzog, und merkte, dass sie plötzlich nach vorne schwankte und sich gegen seine harte, warme Brust presste. „Ich … ich weiß nicht, wie ich gegen Sie ankämpfen soll“, sagte sie hilflos.
„Dann lassen Sie es einfach.“ Seine Finger fuhren durch ihre Haare und strichen über ihren Nacken. „Sie sind nicht dafür geschaffen zu kämpfen, sondern für sehr viel empfindsamere Tätigkeiten. Und die Zeit ist gekommen, diese endlich zum Leben zu erwecken. So einfach ist das.“
Nein, dachte sie. Sich mit diesem Mann einzulassen, würde nie eine einfache Sache sein. Sie lehnte ihren Kopf an seinen Hals und zuckte vor Schmerz zusammen, als ihre verletzte Augenbraue seine Haut berührte. „Sie überfahren mich mit all dem, was Sie sagen …“
„Weil ich mich nicht in höflichem Geplauder verliere, das sonst zwischen Fremden üblich ist?“ Er klang amüsiert. „Sind wir denn noch Fremde, wenn wir uns geküsst haben?“
Überrascht merkte Linda, dass sie verneinend den Kopf hin und her bewegte. Als er sie geküsst hatte, gab es keinen Gedanken mehr, sondern nur noch drängendes Verlangen, das sie zutiefst überraschte. Wie konnte sie so etwas fühlen? Hatte ihr Kopf bei dem Unfall doch mehr Schaden genommen? War bei dem Aufprall etwas mit ihr geschehen, sodass sie nicht länger eine zurückhaltende junge Frau war, deren Liebe der Musik und romantischen Dichterei galt, und die in ihrem Herzen das Bild des par fait che va li er trug.
Der perfekte Ritter, den sie sich erträumt hatte, hatte
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