JULIA SOMMERLIEBE Band 21
hatte. Und in dem Moment hatte sein Herz höhergeschlagen.
Er erinnerte sich daran, dass er es kaum hatte erwarten können, dass die Gäste sich verabschiedeten, um Marisa einen romantischen Spaziergang im hellen Mondschein vorzuschlagen. Vielleicht ist das die Gelegenheit, um sie davon zu überzeugen, dass ich es ernst meine, hatte er gedacht. Und diese Gelegenheit hatte er nutzen wollen.
Doch als endlich auch die letzten Gäste gegangen waren, hatte Marisa sich längst in ihr Schlafzimmer zurückgezogen. Die Chance, ihr näherzukommen, war verstrichen – und am nächsten Morgen hatte er ganz früh nach Rom fahren müssen.
Aber er hatte nicht vergessen können, dass sie ihren Widerstand für einen winzigen Augenblick aufgegeben hatte. Dieser Blick, der so voller Begehren gewesen war, hatte ihm in all den Monaten der Trennung Hoffnung gemacht. Ihr Panzer der Ablehnung war rissig geworden – und vielleicht konnte es ihm gelingen, ihn ganz aufzubrechen.
Und deshalb werde ich jetzt nicht aufgeben, beschloss er grimmig. Es musste ihm gelingen, sie zu überzeugen, die Vergangenheit ruhen zu lassen und von vorn zu beginnen. Seine Großmutter hatte ihn unwissentlich in diesem Entschluss bestärkt …
Als er am Morgen vor seiner Abreise nach London in der Klinik eingetroffen war, um seinen Vater zu besuchen, hatte sie gerade gehen wollen. Doch als sie ihn entdeckt hatte, war sie zu ihm getreten und hatte ihn in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete, gebeten, sie in einen leeren Aufenthaltsraum zu begleiten.
„Dein Vater hat mir erzählt, dass du heute nach England fliegst, um dich mit diesem unmöglichen Mädchen zu versöhnen“, kam sie sofort zur Sache, als sie die Tür geschlossen hatte. „Du vergeudest deine Zeit, mein lieber Lorenzo. Ich habe meine Tochter so oft gewarnt, dass eine Ehe zwischen zwei Menschen aus so unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten nur in einem Desaster enden kann. Und genau so ist es gekommen. Dieses Kind ist es nicht wert, in die Familie der Santangelis aufgenommen zu werden.“ Sie seufzte. „Die arme Maria wollte meinen Rat leider nicht annehmen, aber du wirst mir zuhören. Mach der Sache ein Ende und löse die Ehe so schnell wie möglich. Ich habe immer gesagt, du sollst dir eine nette Italienerin suchen, die weiß, was von ihr erwartet wird, und die sich deinen Wünschen und gesellschaftlichen Verpflichtungen unterordnet.“
„Und selbstverständlich hast du auch schon eine passende Kandidatin für mich, Großmutter?“ Sein Lächeln wirkte charmant. „Oder vielleicht sogar mehr als eine? Früher hast du mir immer eine ganze Reihe attraktiver junger Damen vorgestellt, wenn wir gemeinsam essen gegangen sind.“
„Ich habe lange darüber nachgedacht“, gab seine Großmutter ungerührt zu. „Meiner Meinung nach wäre Donnatella Marcona die perfekte Ehefrau für dich. Sie ist die Tochter eines alten Freundes und ein hübsches, gottesfürchtiges Mädchen, das dir liebend gern eine gute Frau sein würde.“
„Donnatella?“, wiederholte Lorenzo. „Ist sie die junge Frau, die unaufhörlich redet, oder die mit dem Silberblick?“
„Eine winzige Fehlstellung des rechten Auges“, verbesserte sie ihn. „Soweit ich weiß, kann man das problemlos operieren.“
„Eine Operation, die ich bezahlen müsste – schließlich haben die Marconas kein Geld.“ Lorenzo schüttelte energisch den Kopf. „Gib dir keine Mühe, Nonna Teresa. Marisa ist meine Ehefrau, und ich will, dass das auch so bleibt.“
„Als Ehefrau kann man sie wohl kaum bezeichnen“, gab seine Großmutter schroff zurück. „Schließlich lebt sie am anderen Ende des Kontinents. Eure Trennung entwickelt sich zu einem öffentlichen Skandal – insbesondere nach ihrem kränkenden Verhalten auf der Hochzeit.“ Ihre Lippen waren nur noch ein schmaler Strich. „Du hast doch nicht vergessen, wie sie dich gedemütigt hat?“
„Nein“, sagte Lorenzo leise, „das habe ich nicht vergessen.“
Auch während des gesamten Fluges nach London hatte er an jenen unheilvollen Tag gedacht. Dabei hatte er geglaubt, das Geschehene tief genug in seinem Gedächtnis vergraben zu haben. Als die Maschine schließlich gelandet war, hatte er schlechte Laune gehabt, die ihren absoluten Tiefpunkt erreicht hatte, als er in die Wohnung gekommen war und festgestellt hatte, dass Marisa nicht da war.
Und als sie dann kam, war sie in Begleitung, erinnerte er sich voller Zorn. Er hatte sich darauf eingestellt, sie eventuell
Weitere Kostenlose Bücher