JULIA SOMMERLIEBE Band 21
wunderschönen Blick aufs Meer. Also war er der Meinung, dass es der perfekte Ort für ein frischgebackenes Ehepaar wäre.“ Kühl fügte er hinzu: „Da er auch in der Kirche war, hat er seinen Fehler inzwischen sicherlich erkannt.“
Marisa errötete und schwieg.
Sie starrte auf ihre schlanken Beine, ihre schmalen Füße mit den lackierten Nägeln und die eleganten hochhackigen Sandalen im gleichen Tiefblau wie ihr Sommerkleid.
Früher hatte sie sich nicht viele Gedanken über ihr Aussehen gemacht. Die Tage vor ihrer Hochzeit allerdings schien sie ausschließlich im Kosmetiksalon verbracht zu haben – Maniküre, Pediküre, kühlende Gesichtsmasken und Enthaarungswachs hatten auf dem Programm gestanden. Doch sie hatte es nicht genossen, sondern unentwegt daran gedacht, dass all das nur geschah, um mit ihrer makellosen Schönheit einem Mann zu gefallen, dessen Urteil ihr vollkommen gleichgültig war.
Reine Zeitverschwendung, dachte sie. Denn schließlich hatte Lorenzo sie nicht geheiratet, weil er sich romantische Liebesnächte erhoffte, sondern weil sie jung, gesund und unschuldig war – die perfekte Frau, um ihm einen Sohn zu schenken.
Sie musste sich endlich mit dieser Situation abfinden und versuchen, das Beste daraus zu machen. Vermutlich wäre es ein Schritt in die richtige Richtung gewesen, ihm am Altar den Brautkuss zu gestatten. Dann hätten sie diese sogenannten Flitterwochen wenigstens nicht mit eisigem Schweigen begonnen. Doch jetzt …
Wenn sie nicht gerade mitten auf der Autobahn gewesen wären, hätte sie ihn bitten können, rechts ranzufahren, damit sie sich dafür entschuldigen konnte. Damit sie versuchen konnte, die angespannte Situation zwischen ihnen aufzulockern. Aber das war auf der Autobahn sicherlich keine gute Idee. Und außerdem hatte sie ja noch einen ganzen Monat vor sich, in dem sie ihren Fehler wiedergutmachen konnte.
Vielleicht hat Lorenzo ja auch ganz andere Vorstellungen davon, wie unsere Ehe weitergehen soll, überlegte sie und seufzte lautlos, als sie ihn von der Seite ansah und seinen grimmigen, unnachgiebigen Gesichtsausdruck bemerkte.
Aber all ihre Entmutigung war wie weggeblasen, als sie den ersten Blick auf die atemberaubende Amalfiküste erhaschte.
Mit einem kleinen Aufschrei des Entzückens beugte Marisa sich vor, als sie am Rand der Steilküste die ersten kleinen Dörfer entdeckte, deren weiß getünchte Häuser in der Abendsonne leuchteten. Schaumkronen tanzten auf dem Wasser, das sich endlos bis zum Horizont ausdehnte und in unzähligen Schattierungen von Türkis, Azurblau und Smaragdgrün schimmerte.
Die Straße, die auf der einen Seite von steilen Felsen, auf der anderen von schroff abfallenden Hängen begrenzt war, schlängelte sich inzwischen ziemlich schmal und kurvenreich durch die Landschaft.
Lorenzo schien vollkommen unbeeindruckt von den schwierigen Straßenverhältnissen und nahm in so raschem Tempo eine scharfe Kurve nach der anderen, dass Marisa der Atem stockte. Unwillkürlich sank sie tiefer in ihren Sitz. Zwar bemühte sie sich, entspannt zu wirken, doch offensichtlich war sie wenig erfolgreich, wie der spöttische Blick vermuten ließ, den er ihr zuwarf.
„Konzentriere dich bitte auf die Straße!“, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Wenn sie ehrlich war, machte nicht nur die Straße sie nervös, sondern auch die Aussicht darauf, bald in der Villa anzukommen und zum ersten Mal mit ihm unter einem Dach zu leben – nicht als sein Gast, sondern als seine Ehefrau.
Als Lorenzo die Hauptstraße verließ und in einen steilen schmalen Weg einschwenkte, an dessen Ende einige kleine Landhäuser standen, glaubte sie schon, ihr Urlaubsziel erreicht zu haben. Doch bevor sie zu den Häusern kamen, bog er erneut ab und fuhr durch ein reich verziertes schmiedeeisernes Tor. Langsam folgte er einem von Pinienbäumen gesäumten Kiesweg, der zu einem mächtigen, frei stehenden Anwesen führte. Das Dach war mit Ziegeln aus Terrakotta gedeckt, die von der Sonne ausgeblichen waren, und an den halbhohen Mauern rankten wilder Wein und blühende Büsche.
Lorenzo stoppte den Wagen. „ Ecco. La Villa Santa Caterina “, sagte er kühl. „Das Personal meines Onkels erwartet uns schon, also lass uns so tun, als würden wir uns freuen, hier zu sein. Meinst du, dass du das schaffst?“
Kurz musste sie sich an die Wärme gewöhnen, als sie aus dem angenehm klimatisierten Wagen stieg. Die Luft duftete betörend nach Blumen. Marisa atmete tief und
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