JULIA SOMMERLIEBE Band 21
kurz inne. „Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst. Ich werde dich nicht drängen. Deshalb bleibe ich in Rom, und du kannst in unserem Haus in der Toskana leben.“
„Nein!“ Erst als sie bemerkte, wie überrascht er sie ansah, wurde ihr bewusst, wie heftig sie widersprochen hatte. „Ich meine … dein Angebot ist sehr nett. Aber unter diesen Umständen kann ich nicht mit deinem Vater unter einem Dach leben.“ Sie atmete tief durch. „Ich würde gern nach London zurückkehren, wenn das möglich ist.“
„London?“, wiederholte er ungläubig. „Willst du wieder bei deiner Cousine wohnen?“
Eher friert die Hölle zu, dachte sie unwillig. Doch sie wusste, dass eine sachlichere Antwort sie eher ans Ziel bringen würde. Also schüttelte sie den Kopf. „Das geht nicht, sie ist mitten im Umzug nach Kent.“ Sie machte eine kurze Pause. „Was ich mir wünsche, ist eine kleine Wohnung für mich ganz allein.“
Das folgende Schweigen war fast unerträglich. „Ich verstehe“, sagte Lorenzo schließlich vorsichtig. „Aber denkst du, dass es klug ist, wenn du in London lebst und ich in Rom?“
„Warum nicht?“ Marisa sah ihn angriffslustig an. „Schließlich bin ich kein Kind mehr.“ Und auch keine unschuldige Jungfrau, die vor allen Männern außer vor dir beschützt werden muss, sagte ihr Blick. An der feinen Röte, die seine Wangen überzog, erkannte sie, dass er verstanden hatte. „Und wenn wir sowieso getrennt leben, ist es doch egal, wo das ist, oder?“
Lorenzo dachte kurz nach, dann lenkte er ein. „Gut. Wenn es dein Wunsch ist, werden wir es so machen. Wir müssen einfach versuchen, eine Einigung zu finden.“
Einen Augenblick lang war sie verblüfft. Mit einem derart schnellen Sieg hatte sie nicht gerechnet.
Aber natürlich wollte er sie nur aus dem Weg schaffen – möglichst weit fort, so schnell es ging …
Ihr Triumph wandelte sich in jähe Hoffnungslosigkeit. Doch dann riss sie sich zusammen und straffte die Schultern. Schließlich hatte sie genau das erreicht, was sie hatte erreichen wollen.
Lächelnd sah sie ihn an. „ Grazie. “
„ Prego. “ Er erwiderte ihr Lächeln nicht. „Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest? Es gibt noch viel zu erledigen.“ Damit ging er.
Danach ging alles sehr schnell.
Lorenzo schien nur mit den Fingern schnippen zu müssen und schon war ein Flug Erster Klasse nach London gebucht. Am Flughafen in England wartete ein Wagen auf sie, und ein englischer Anwalt der Santangelis begleitete sie ins Hotel, wo bereits eine Suite für sie reserviert war. Geld, das wurde ihr schnell klar, spielte keine Rolle.
Anscheinend ist es Lorenzo einiges wert, die Frau, die ihn so eindeutig ablehnt, verschwinden zu lassen, dachte sie.
Zweifellos war dies der Anfang vom Ende ihrer Ehe und seine Anwälte würden bald die Scheidung in die Wege leiten. Dann wäre sie frei – zum ersten Mal in ihrem Leben.
Einzig die langen, traumhaften Tage im Garten der verlassenen Casa Adriana würde sie vermissen, ebenso wie die Gespräche mit Mrs. Morton, von der sie sich nicht einmal hatte verabschieden können. Auch wenn sie oft allein auf der Bank unter dem Zitronenbaum gesessen hatte, so hatte sie sich doch nie einsam gefühlt. Vielleicht lagen Hoffnung und Kraft noch immer wie ein Zauber über diesem verwunschenen Ort.
Nach ihrer Rückkehr nach London hatte Marisa damit gerechnet, dass der Kontakt zu Lorenzo sofort abbrechen würde. Seine ständigen Anrufe und Briefe hatten sie überrascht. Reine Höflichkeit, auf die ich gut verzichten kann, hatte sie sich gesagt.
Und heute Abend hatte er plötzlich vor ihr gestanden. Ohne Vorwarnung war er wieder in ihr Leben getreten und hatte ihr klargemacht, dass er niemals vorgehabt hatte, sie in Ruhe zu lassen.
Ihre ‚Atempause‘ war beendet, und sie konnte nichts dagegen unternehmen.
Einer Scheidung würde er nie freiwillig zustimmen, und sie hatte kein Geld für einen zermürbenden Kampf vor Gericht.
War dies nur die erste von vielen bitteren Pillen, die sie würde schlucken müssen?
Ganz nüchtern betrachtet war sie ihm zu Dank verpflichtet. Er war immer sehr großzügig gewesen, und jetzt war es eben an der Zeit, die Gegenleistung zu erbringen.
War das die Einigung, von der er in der Villa Santa Caterina gesprochen hatte?
Doch dann versuchte sie, ihren Gedanken eine andere Richtung zu geben. Es hatte wenig Sinn, über die Vergangenheit zu grübeln.
Nur das Hier und Jetzt zählte.
Und wenn sie ehrlich war, musste sie
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