Julia Sommerliebe Band 22
Caroline, bevor sie sich die Frage verkneifen konnte. Seine Erzählungen waren einfach zu verlockend.
Romano setzte sich zu ihr, viel zu nah, und streckte seine nackten, leicht behaarten Beine aus. „Ich vermute, Mathilde hat die maltesischen Mythen ein bisschen mit ihrer lebhaften Fantasie ausgeschmückt. Dem Mythos zufolge wurde Ghar Hasan vor über achthundert Jahren von einem Sarazen als Versteck genutzt, um sich vor Verfolgern zu schützen.
Leider gehörte es zu seinen Lieblingsbeschäftigungen, unschuldige Jungfrauen zu entführen und diese in seiner Höhle gefangen zu halten. Er vergnügte sich mit ihnen und verkaufte sie dann ein Stück küstenabwärts in die Sklaverei.“
„Vor achthundert Jahren?“ Caroline rechnete nach. „War das vor oder nachdem die Ritter von St. John die Insel übernahmen?“ Vergessen waren ihr Zorn und das Gefühl der Machtlosigkeit. Romano erzählte so lebendig, dass Caroline ganz gebannt lauschte. Und sie interessierte sich wirklich für die Kultur Maltas.
„Vorher. Die Geschichte Maltas ist komplex. Wir hatten so viele Invasionen, dass man leicht den Überblick verlieren kann. Die Ritter waren von 1530 bis 1798 hier. Ihr achtzackiges Kreuz flattert immer noch über Grand Harbour. Die als Kriegsmönche bekannten Aristokraten nutzten ihre Heilkünste für furchtbare Kriegstechniken, um die Insel vor den Türken zu beschützen.
Zuvor war Malta für dreißigtausend Goldflorine von Spanien an einen sizilianischen Vizekönig verkauft worden. Aber der finstere Sarazen, der sich in der Dunkelheit von Ghar Hasan versteckte, soll um 1120, zur Zeit des christlichen Grafen Roger of Normandy, gelebt haben.“
„Und was ist mit dem finsteren Sarazen passiert?“
„Mathilde hat erzählt, er habe den fatalen Fehler begangen, sich in eine der gefangenen Jungfrauen zu verlieben. Sie bat ihn, sie zu lieben, und als er, von Liebe eingelullt, unaufmerksam war, erstach sie ihn mit seinem eigenen Dolch.“
„Gut gemacht“, kommentierte Caroline trocken.
„Leider endete die Geschichte dennoch dramatisch. In der Dunkelheit und vor Entsetzen über ihre Tat rannte das Mädchen in die falsche Richtung, nämlich aufs Meer zu anstatt zur Landseite, glitt auf den feuchten Steinen aus und stürzte von den Felsen in die Tiefe.“
„Oh. Es gibt keine Gerechtigkeit in der Welt.“
Romano lachte.
Aus dem Schutze ihres Sonnenhutes betrachtete Caroline fasziniert, wie sich sein hartes Gesicht veränderte, wenn er lachte. „Damit ist die Geschichte zu Ende?“
„Mathilde behauptete immer, dass dieses gruselige Szenario sich bei Vollmond wiederholt …“
„Geister?“ Caroline musste lächeln. „Und ihr habt ihr geglaubt?“
„Wir waren doch kleine Jungs!“, verteidigte sich Romano empört. „Und Mathilde war eine meisterhafte Geschichtenerzählerin. Diese Geschichten hat sie uns in einer dunklen Dezembernacht erzählt, vor dem Kamin in der Küche. Sie war eine Enzyklopädie des Aberglaubens und der Sprichwörter. Die beste Geschichte war die von dem Schicksal der Tochter einer befreundeten Familie.“
Romano hielt inne.
Und Caroline vergaß ihre Vorsätze so weit, dass sie ihm gespannt die Hand auf den Oberschenkel legte. Als sie seine Haut unter ihren Fingern spürte, zog sie die Hand jedoch blitzartig zurück, als habe sie sich verbrannt.
Ihm war ihre Reaktion keineswegs entgangen. Amüsiert zuckten seine Mundwinkel, er kommentierte ihr Verhalten jedoch nicht.
„Erzähl weiter. Was ist mit der Tochter der befreundeten Familie passiert?“, lenkte sie ab, die Wangen gerötet. Vorsorglich rückte sie ein wenig von Romano ab.
„Schau dir diese Klippen an.“ Er wies auf die Klippen, die jetzt rechts von ihnen auftauchten. Das Meer brach sich machtvoll an ihnen. Weiße Gischt spritzte. Es war ein majestätischer Anblick. „Die Höhle ist dort oben. Man gelangt von der Klippenspitze hinein.“
Die Augen gegen die Sonne beschattet, blinzelte sie hinauf. „Ich sehe keine Höhle.“
„Von hier geht das auch schwer.“
„Und diese Freundin der Familie?“
„Ach ja. Die Geschichte stammt aus einer Zeit, als die maltesischen Hochzeitsbräuche noch sehr streng waren. Und sie bringt uns zurück zum Mnarja in die Buskett Gardens. Wenn damals ein Mädchen im heiratsfähigen Alter war, verkündete ihr Vater dies, indem er einen Topf mit Basilikum auf das Fenstersims seines Hauses stellte.
Der interessierte junge Mann, auf der Suche nach einer Braut, sandte einen Heiratsvermittler zu
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