Julia Sommerliebe Band 22
vorne schwankte. Fluchend machte er einen Satz nach vorn, packte sie mit eisernem Griff an den Oberarmen und zog sie nach hinten.
Gabbys Knie hatten unter ihr nachgegeben. Alles um sie herum drehte sich, und sie konnte sich nur vage daran erinnern, dass ihr Retter sie hochgerissen hatte. Seufzend lehnte sie sich an ihn. Ihr Herz klopfte heftig nach dem lebensgefährlichen Fluchtversuch.
Rafik hatte die Arme um ihre Taille geschlossen und hielt sie fest.
„Keine Sorge, ich habe nicht vor, hier herunterzuspringen.“ Nun, nachdem die Schrecksekunde überwunden war und Gabby ihr Bewusstsein wiedererlangt hatte, nahm sie die Einzelheiten wahr – verwirrende Einzelheiten, wie die gegen ihren Rücken drückende warme, harte Wölbung seines Körpers. Sie beschloss, sich nicht von der Stelle zur bewegen. „Danke“, sagte sie heiser. „Ich bin nämlich nicht schwindelfrei.“
„Das überrascht mich aber. Ich hätte gedacht, eine von fahrenden Autos springende Actionheldin wie Sie würde vor nichts zurückschrecken.“
Den einen Arm noch immer schützend um Gabby gelegt, spürte Rafik, wie sie tief Luft holte, bevor sie mit heiserer Stimme antwortete.
„Es tut mir sehr leid, Sie enttäuschen zu müssen, aber wir haben nun einmal alle unsere kleinen Schwächen.“ Dabei fiel ihr auf, dass sie normalerweise keine Schwäche für Schönlinge hatte – auch nicht für exotische.
Sehr exotisch, dachte sie, als seinen moschusartigen und sehr verführerischen Duft einatmete. Ihr Blick fiel auf seine wohlgeformte Hand auf ihrem Arm. Ein breiter Goldring mit einem großen, roten Stein zierte einen seiner Finger. Wenn der Stein echt wäre, würde er ein Vermögen wert sein.
Ob er verheiratet war?
Gab es eine rehäugige Frau und eine Kinderschar, die ihn anbeteten? Als die Bilder einer Familienidylle an Gabbys innerem Auge vorüberzogen, fühlte sie sich leicht verstimmt.
War es Neid? Wenn, dann sicher nicht auf die Frau, die mit diesem wildfremden Mann verheiratet war. Aber Gabby war vierundzwanzig Jahre alt, und bislang war ihr niemand begegnet, mit dem sie ernsthaft eine Beziehung hätte eingehen wollen. In dieser Hinsicht war sie weniger risikofreudig.
Erst vorige Woche hatte sie wieder einmal scherzhaft geantwortet, als ihre Freundin Rachel den Rat gab, die Latte etwas tiefer zu legen und dafür ein bisschen Spaß zu haben.
Gabby war zwar nicht prüde, aber sie hatte ihre Zweifel, ob sie den Spaß, von dem ihre Freundin sprach, wirklich brauchte. So war sie sich nicht zu schade gewesen, sich selbst als hoffnungslose Romantikerin zu bezeichnen. Ihr Bekenntnis würde ohnehin von jedem als Scherz aufgefasst werden. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass sie jemand war, der an die große Liebe glaubte, auf die zu warten sich lohnte.
Und doch kam es hin und wieder vor, dass sie sich die bange Frage stellte, ob sie ihrer großen Liebe jemals begegnen würde. Es fiel ihr im Laufe der Zeit immer schwerer, sich auch nur vorzustellen, dass sie den Mann, mit dem sie ein ganzes Leben verbringen wollte, auch wirklich finden würde. Womöglich hatte Rachel doch recht, und sie machte sich alles nur unnötig schwer?
Vielleicht war sie dazu verdammt, ihr Leben allein zu verbringen. Aber es gab Schlimmeres – beispielsweise mit einem Mann verheiratet zu sein, nach dem sich jede Frau umdrehte.
Als Gabby tief Luft holte, spürte Rafik, wie ein Beben durch ihren Körper ging. Sie fühlte sich weich, warm und beunruhigend zerbrechlich an. Als Mann fühlte er sich stark von ihr angezogen. Doch als Prinz wusste er, dass er die Finger von ihr lassen musste. Auch unter anderen Umständen, selbst dann nicht, wenn er nicht gerade erst sein Todesurteil bekommen hätte – diese Frau war einfach nichts für ihn.
Für Ablenkungen hatte er nie Zeit gehabt, und das galt jetzt umso mehr. Sein Blick streifte ihr zerzaustes Haar. Keine Frage, diese Frau wäre eine Ablenkung wert.
Leicht errötend machte Gabby sich von ihm los und ging zurück in das Zimmer. Ihr zitterten die Knie, und sie konnte beim besten Willen nicht sagen, ob das eine Folge ihrer Höhenangst und der anstrengenden letzten zwei Tage war oder ob es auf ihre unangemessene Gefühlsreaktion auf den Fremden zurückzuführen war.
Seltsam wäre es schon, denn sie hatte sich niemals von Männern wie ihm angezogen gefühlt. Sie neigte den Kopf nach hinten und sah zu ihm. Als sich ihre Blicke trafen, musste sie sich eingestehen, dass sie noch nie zuvor einen Mann wie ihn
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