Julia Sommerliebe Band 23
legte ihm die Arme um den Nacken. Er zog sie so eng an sich, wie es zu der langsamen romantischen Ballade passte.
Nach einer Weile des Schweigens bemerkte er: „Ich finde, du bist sehr liebenswürdig mit Janines kleinem Ausrutscher umgegangen.“
„Danke“, murmelte sie gequält. Sie seufzte. „Aber du hattest ganz recht. Wir können nicht von allen Leuten erwarten, dass sie das Thema Babys ständig vermeiden. Ich habe Freunde mit Kindern und musste lernen, sie gern zu besuchen und gelegentlich sogar neidlos Babysitter zu spielen.“
„Das ist sehr tapfer von dir.“
Sie verzog das Gesicht und senkte den Blick auf seine Fliege. „Nicht wirklich. Es gibt Tage, an denen es sehr hart ist, wenn ich an sie denke.“
Antonio spürte diesen zermürbenden Kummer in sich aufsteigen, der ihn oft eiskalt erwischte – in letzter Zeit mehr denn je. Mit Claire zusammen zu sein, machte ihm bewusst, wie der Verlust eines Kindes beide Elternteile für viele Jahre – wenn nicht für immer – beschäftigt. Natürlich war die Mutter die Hauptleidtragende, weil sie das Baby ausgetragen hatte, ganz zu schweigen von den Hormonstörungen während der Schwangerschaft und nach der Geburt. Doch auch der Vater litt unter dem Verlust und fühlte sich als Versager.
Antonio war mit dem traditionellen Rollenverständnis aufgewachsen, demzufolge es die Pflicht eines Ehemanns und Vaters war, Frau und Kinder zu beschützen. Er mochte die Ehe aufgrund der ungewollten Schwangerschaft vielleicht zu früh eingegangen sein, aber der Tod des Babys hatte ihn zutiefst getroffen.
Er hatte sich so hilflos gefühlt, so überwältigt von Trauer. Doch wegen der schweren Schuld, die ihn darüber hinaus traf, konnte er seine Empfindungen nicht zum Ausdruck bringen.
Er fragte sich, ob Claire wusste, wie sehr er sich selbst Vorwürfe machte und unter Schuldgefühlen litt, wie ihn in den dunklen Stunden der Nacht verzweifelte Fragen quälten, die mit was wäre, wenn … begannen. Noch immer plagten ihn Albträume, in denen er in den Kreißsaal stürmte und sie mit dem tot geborenen Baby in den Armen vorfand.
Ein Teil von ihm hatte sich in jenem Augenblick abgeschottet, und sosehr er sich auch bemühte, es war ihm nie gelungen, sich wieder ganz zu öffnen. Er fühlte sich, als wäre er in ein stilles, dunkles und tiefes Loch der Verzweiflung gefallen. Bis zu diesem Tag war er in einem immer wiederkehrenden Zyklus aus Kummer und Schuld gefangen wie in einem schlecht angepassten Harnisch, der auf seinen Schultern lastete.
Die Musik wechselte den Rhythmus. Obwohl Claire kein Wort sagte, wusste er, dass es ihr widerstrebte, länger mit ihm auf dem Parkett zu bleiben. Er merkte es, dass sie sich versteifte. Ob sie sich gegen ihn oder sich selbst wehrte, konnte er noch nicht ergründen. Aber dafür blieb ihm noch die ganze Nacht.
Bei dem Gedanken schoss ihm das Blut in die Lendengegend. Ihr Körper hatte ihn begeistert wie kein anderer. Seine Haut prickelte bei der Vorstellung, dass sie ihn wie damals streichelte, zögernd und ein wenig schüchtern zunächst, aber dann mit wachsendem Selbstvertrauen. Unglaublich hatte es sich angefühlt, als ihr warmer feuchter Mund ihn das erste Mal verwöhnt hatte. Seine Reaktion war überwältigend stark ausgefallen. Das alles wollte er erneut spüren – ihre Berührung, ihren Geschmack, ihre Wärme, die er noch Stunden nachher spüren konnte.
„Ist es Zeit, nach Hause zu gehen?“, fragte er.
Eine leichte Röte überzog ihre Wangen. „Ja … wenn du möchtest …“
Antonio führte sie an den Tisch zurück. Nach einigen Abschiedsworten zu den anderen Gästen geleitete er sie hinaus zu der Limousine, die sie ins Hotel zurückbringen sollte.
Dort musste Claire entweder mit ihm das Bett teilen oder die Nacht allein auf dem Sofa verbringen.
Es dürfte interessant sein, wofür sie sich entscheidet.
7. KAPITEL
Die Rückfahrt zum Hotel verlief überwiegend schweigsam. Antonio betrachtete Claire mehrmals forschend, aber sie hielt den Kopf abgewendet und spielte nervös mit dem Verschluss ihrer Abendhandtasche.
„Beunruhige ich dich so sehr, cara? “, fragte er schließlich, als der Wagen vor dem Hotel anhielt.
Sie sah ihn unsicher an. „Vielleicht ein bisschen“, gestand sie ein, während er ihr beim Aussteigen half.
Auf dem Weg zu den Fahrstühlen fasste er sie an einem Ellbogen und passte seinen Schritt ihrem langsameren Tempo an. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich nichts tun werde, was du nicht auch
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