Julia Sommerliebe Band 24
und Liebhaber war ihr zuteilgeworden, aber auch eine unerwartete Zärtlichkeit. Ihr Herz zog sich zusammen, als sie sich an die Kosenamen erinnerte, die er ihr auf Griechisch zugeraunt hatte, als sie erschöpft und zutiefst befriedigt in seinen Armen lag …
Eine Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter ließ sie Dimitri und alles andere allerdings schlagartig vergessen. Der Facharzt, der ihre Mutter betreute, war über deren Zustand besorgt und drängte auf ein Treffen.
Das Krankenhaus war in einem Vorort von Paris. Leise betrat sie das Krankenzimmer und fand ihre Mutter schlafend vor. Louise setzte sich an das Bett und stellte erschreckt fest, wie viel Gewicht Tina verloren hatte und wie grau ihre Haut aussah. Ein Schal war um ihren Kopf geschlungen und verbarg, dass sie nach der Chemotherapie alle Haare verloren hatte. Louise kamen die Tränen, als sie sich an Tinas hochtoupierten Blondschopf erinnerte. Wie grausam diese Krankheit doch war, die ihrer Mutter erst ihr Aussehen gestohlen hatte und ihr nun auch das Leben rauben wollte.
„Loulou?“ Tina öffnete die Augen.
„Ich bin hier.“ Wie sie sich wünschte, sie könnte ihre Mutter ‚Mum‘ nennen, aber Tina hatte immer darauf bestanden, bei ihrem Namen gerufen zu werden. „Es lässt mich alt aussehen, wenn ein Teenager mich Mum nennt“, hatte Tina sich beschwert.
Louise seufzte und umschloss Tinas knochige Hand mit ihrer. „Tut mir leid, dass ich gestern nicht hier war. Ich habe bis spät gearbeitet und dann …“ Ihr versagte die Stimme, als sie daran dachte, was sie nach der Arbeit getan hatte. „Ich bin zum Abendessen ausgegangen.“
Neugier blitzte in den Augen ihrer Mutter auf. „Mit einem Freund?“ Sie musterte Louise. „Ich bin wirklich froh, dass du dir mit deinem Aussehen mehr Mühe gibst. Dieses Kostüm ist umwerfend. Du hast eine tolle Figur, und es ist wirklich höchste Zeit, dass du anfängst, sie zu zeigen. Das ist der einzige Weg, einen Mann zu finden.“
Louise lächelte gezwungen und behielt für sich, dass sie nur ihrer Mutter zuliebe eines von Benoits Outfits trug. „Ich bin nicht auf der Suche nach einem Mann. Ich bin zu beschäftigt mit meinem Job. Habe ich dir erzählt, dass ich mich auf eine Stelle als stellvertretende Kuratorin in der Gemäldeabteilung des Louvre beworben habe?“
Tina schloss die Augen, schlug sie aber nach einem kurzen Moment wieder auf. „Ich freue mich, dass du eine Karriere hast. Darauf habe ich immer gehofft. Dass du nicht so wirst wie ich – ich habe nie eine Ausbildung in irgendwas gemacht.“
Das Sprechen schien sie zu erschöpfen, und sie schwieg für einige Zeit.
„Kostas hat mich geliebt, und er hat mir etwas bedeutet. Er war der Einzige. Alle anderen wollten mich nur wegen einer Sache. Eine Geliebte zu haben, hat ihre Egos gestärkt, aber sie haben mich nie als Person wahrgenommen, und nach einer Weile habe ich aufgehört zu hoffen, dass sie es je tun würden. Ich habe sie benutzt, so wie sie mich benutzt haben.“
Louise schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter. Nie zuvor war ihr in den Sinn gekommen, dass ihre Mutter bei all diesen Männern nach Liebe gesucht haben könnte. Die hatte sie schließlich bei Kostas Kalakos gefunden, doch ihre Beziehung hatte so viele andere Menschen verletzt – insbesondere Kostas Frau und seine Familie. Als sie das Zimmer verließ, musste sie sich niedergeschlagen eingestehen, dass sie verstand, warum Dimitri ihre Mutter verachtete.
„Der Tumor wächst schneller, als wir dachten“, erklärte Alain Duval, ein Krebsspezialist, nachdem er Louise in sein Büro gebeten hatte. „Ich kann nicht garantieren, dass die neuen Behandlungsmethoden in unserem Partnerkrankenhaus in Massachusetts Erfolg haben werden, aber sie sind die einzige Chance für Ihre Mutter. Und bald wird es für diese Chance zu spät sein“, endete er leise.
„Wie viel Zeit bleibt noch, bis es zu spät ist?“
„Höchstens ein paar Wochen. Ideal wäre es, wenn sie die neue Strahlentherapie sofort beginnen könnte. Ich weiß, dass die Behandlungskosten in den USA hoch sind und dass die Krankenversicherung Ihrer Mutter die Kosten nicht deckt. Aber wenn Sie das Geld dafür irgendwie aufbringen können, sollten Sie es unverzüglich tun.“
Wenn Dimitri doch nur dem Kauf von Eirenne zustimmen würde! Ich kann ihm nicht noch mehr Bedenkzeit lassen, dachte Louise verzweifelt. Sie betete darum, dass er noch in Paris war. Gleich, wenn sie hier fertig war, würde sie zurück zu seinem
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