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Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Titel: Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilia Milstein , Dmitri Popov
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finstere Miene zur Schau. Nach seinen Worten hatte man schon einen Monat vor dem ersten Wahlgang beschlossen, die Zeltstadt zu errichten. Beim Oberbürgermeister von Kiew erschien er, als habe er die Macht bereits erobert. Er verlangte, die Stadt möge Biotoiletten aufstellen und für die Versorgung der Zeltstadt mit Verpflegung und Medikamenten sorgen. Oberbürgermeister Omeltschenko stand nicht gleich stramm, zeigte aber nach einem langen Männergespräch mit nicht druckreifem Wortschatz Verständnis für die Nöte der künftigen Demonstranten. Die Zeltstadt wurde hervorragend organisiert. Laut Poroschenko lagen die Pläne für die revolutionäre Aktion auf dem Maidan zehn Tage vor Ausbruch der Orangenen Revolution bereit. Zur selben Zeit wurden auch Verantwortliche für die verschiedensten Aufgaben festgelegt – für die Bühne, für die Sicherheit, für die öffentliche Ordnung, für die Verteilung des Publikums. Schließlich auch für den Einlass auf das Gelände der Revolution und für die Nachtaktionen. Nur einige wenige Personen mit riesigen Vollmachten trugen für den Aufstand die Verantwortung …
    Am 10. November war die Zentrale Wahlkommission endlich imstande, das offizielle Ergebnis des ersten Wahlgangs zu verkünden. Viktor Juschtschenko hatte 0,55 Prozent mehr Stimmen als Janukowitsch erhalten und ging mit ihm in die zweite Runde. Die fand am 21. November statt. Bereits am nächsten Tag um 12.32 Uhr, zu einem für diese Wahlen sensationell frühen Zeitpunkt, erklärte der Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission Kiwalow, nach Auszählung von 98,23 Prozent der Wahlscheine habe Janukowitsch 49,57 Prozent und Juschtschenko 46,57 Prozent der Stimmen erhalten. Unter Berücksichtigung der ungültigen Wahlscheine hieß das: Janu­kowitsch war neuer Präsident. Bis 20.00 Uhr abends veränderten sich die Zahlen kaum noch. Um 20.10 Uhr rief Wladimir Putin in Kiew an und gratulierte Janukowitsch zum Sieg. 50 Minuten später hielt der bereits seine erste triumphale Fernsehansprache an die Nation.
    Der ganze Unabhängigkeitsplatz loderte indessen in einem flammenden, vorrevolutionären Orange. Auf der Bühne stand Viktor Jusch­tschenko und bat das Volk, nicht von den Straßen zu gehen. ­Julia ­Timoschenko bat um gar nichts. Sie teilte dem Land und der Welt mit, dass man die Macht, wenn nötig, mit Gewalt erobern ­werde.
    Siebzehntes Kapitel
Der Flug über den Maidan in Orange
    Die Stalin’sche Nachkriegsarchitektur von Kiew strahlt eine Lebensfreude aus, die für jene Epoche des Pompösen und Monumentalen nicht gerade typisch war. Das springt besonders ins Auge, wenn man die Hauptstadt der Ukraine mit der Metropole der UdSSR vergleicht. Die Hochhäuser am Moskauer Gartenring erinnern an Atomraketen, die zu gotischen Kathedralen aufgetürmt sind, um die Grenzen des Vaterlandes zu schützen. Die Häuser an der Gorkistraße stehen ausgerichtet wie eine Ehrenwache, die den Besucher zum Mausoleum geleitet. Auch der Kreschtschatik, Kiews Prachtboulevard, atmet imperiale Größe. Aber mit all ihrem Schmuckwerk aus Stuck und bunten Kacheln – den von Trauben schweren Weinreben, den Bergen von Äpfeln, den Garben der Kornähren, der ganzen Fülle zu Stein erstarrter Flora – ist Kiews Hauptstraße eine fast heidnische Hymne an die Fruchtbarkeit, an die überschäumende Fülle der Natur.
    Im Krieg wurde das Zentrum von Kiew durch Bomben und Brände verwüstet. Als Anatoli Dobrowolski mit seinem Architektenkollektiv auf 40 Hektar Baugrund den neuen Kreschtschatik neu entstehen ließ, schwebten ihm Improvisationen zu Themen des ukrainischen Barocks vor. Das war der urwüchsigste Baustil in der Geschichte des Landes, der Lebens- und Sinnenfreude ausstrahlt. Das ausgehungerte, halb zerstörte Kiew freute sich des Friedens, träumte von neuer Fruchtbarkeit und gedachte voller Stolz seiner Geschichte. Da aber ukrainische Motive als Erscheinungen von »bürgerlichem Nationalismus« damals streng verboten waren, musste Dobrowolski sein ukrainisches Barock für einen »spanischen Stil« ausgeben.
    Zu Beginn des neuen Kreschtschatik standen aber nicht Häuser, sondern Bäume und Blumen. Im Frühjahr 1945 – die Trümmer waren kaum weggeräumt und die Pläne für den Neubau noch nicht bestätigt – legte man bereits Beete und Rasenflächen an. Längs des ganzen Kreschtschatiks wurden in regelmäßigen Abständen 750 Linden, Kastanien und Ebereschen gepflanzt. Damit war Kiews Hauptstraße von Anfang an wie ein Pariser

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