JULIA VALENTINSBAND Band 19
glitt mit der gefesselten Hand auf ihren Bauch. Es war eine tröstliche Geste. Aber eigentlich wollte er, dass sie ruhig verharrte, um sie nicht zu verraten.
Chloe vernahm ein leises Quietschen und konnte vage erkennen, wie die doppelte Küchentür geöffnet wurde. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
Ian schloss die Hand fester über ihrem Bauch. Es war eindeutig, dass er sie warnen wollte.
Aber sie war so panisch, dass sie regungslos verharrte.
Ein Schatten betrat die Küche, duckte sich und hielt etwas in der Hand, das aussah wie …
… wie ein Gewehr!
Dann trat Ian in die Mitte des Raumes, zog sie mit sich – und ließ sein muskulöses Bein in die Höhe schnellen. Er traf den Eindringling, der von dem gezielten, halbkreisförmigen Kick durch die Luft geschleudert wurde. Ein wundervoller Roundhouse-Kick, der sie ebenfalls zu Boden gerissen hätte, wenn Ian nicht geistesgegenwärtig nach ihr gegriffen hätte, sodass sie beide zu Boden stürzten.
Ian rollte sich sofort in Richtung Einbrecher. Chloe konnte nicht genau erkennen, was er danach tat. Denn sie war zu sehr damit beschäftigt, sich mit dem gefesselten Handgelenk außer Reichweite zu halten.
„Ich habe ihn“, erklärte Ian schließlich grimmig.
Chloe hockte sich auf die Knie und bemerkte, dass er sich auch hingehockt hatte. „Wer ist es?“, flüsterte sie.
„Keine Ahnung.“ In der freien Hand hielt er das Gewehr, während er mit der anderen in die Tasche greifen wollte. Wieder zerrte er an den Handschellen. „Verdammt“, fluchte er. „Mein Handy. Es ist in meiner Tasche. Könntest du …“
Chloe fasste in seine Tasche. Vor ein paar Minuten hatte sie aus einem ganz anderen Grund in seine Jeans gegriffen.
„Ruf die Polizei“, forderte er sie auf.
Sie hockte sich auf die Absätze ihrer Schuhe, wählte die Notrufnummer und dachte darüber nach, dass sie vor gar nicht langer Zeit ihr Büro verlassen hatte, weil sie sich nur ein paar Kekse hatte kaufen wollen. Sie hatte geplant, sich anschließend ganz in ihre Arbeit zu vergraben. Aber irgendwie hatte das Schicksal sich stürmisch auf sie gestürzt, und der Abend schien völlig aus dem Ruder zu laufen.
Chloe saß auf einem harten, kalten Stuhl aus Metall im Polizeirevier und nippte an dem Wasser, das Ian ihr gebracht hatte, bevor er sich zu einem Gespräch mit einigen Polizisten zurückzog.
Polizisten, die kaum die Augen von ihr hatten lassen können.
Nachdem die Polizei eingetroffen war, war Ians Eindringling über seinen Führerschein identifiziert worden. Chloe hatte keinen Blick auf den Ausweis werfen müssen, denn im Schein der Taschenlampen erkannte sie ihn auch so.
Es handelte sich um einen Angestellten aus Steves und Alans Antiquitätenladen. Als sie ihn sah – und das Gewehr, das er womöglich gegen sie eingesetzt hätte –, begriff sie auf Anhieb zwei Dinge. Erstens: Der Fall, in dem Ian ermittelte, war offenbar viel gefährlicher, als sie es sich hatte vorstellen können. Zweitens: Jedes Mal, wenn sie Ian anschaute, zog ihr ein leiser Schmerz durchs Herz. Es war mehr als deutlich, sie hatte sich wieder in ihn verliebt …
Und das warf ein drittes Problem auf. Hielt er es für möglich, dass sie in diesen Fall verwickelt war?
Stand sie – Chloe wagte kaum, den Gedanken zu Ende zu denken –, stand sie etwa unter Verdacht?
Sie zitterte am ganzen Leib, und sofort war Ian bei ihr und bedeckte ihre Schultern mit seiner abgetragenen Sweatshirtjacke. „Ich bin gleich fertig“, versprach er mit leiser Stimme und berührte sie sanft am Arm.
Chloe schlang sich die Arme um den Oberkörper und achtete nicht weiter auf ihn. Jedes Mal, wenn sie ihn anschaute, schwirrte ihr der Kopf. Denn es fiel ihr schwer, in ihm noch den Mann zu erkennen, dem sie in der Schule bei seinen Shakespeare-Aufsätzen geholfen hatte … und jetzt sollte er ein FBI-Agent mit vielen Geheimnissen sein?
„Chloe?“, sprach Ian sie an. „Bist du in Ordnung?“
Sie atmete tief durch, beschloss, alles auf eine Karte zu setzen, und fragte: „Ian, stehe ich unter Verdacht?“
„McCall!“, rief einer der Männer und forderte ihn mit einem Kopfnicken auf, sich ihnen anzuschließen.
Chloe starrte ihn unverwandt an. Sie brauchte eine Antwort. Dringend.
„Du musst noch ein paar Minuten warten“, bedauerte er. „Ich bin gleich zurück.“
Es ärgerte sie, dass er der Frage auswich. „Weißt du was? Ich fahre jetzt nach Hause und …“
„Das geht nicht“, unterbrach er sie abrupt.
„Warum
Weitere Kostenlose Bücher