JULIA VALENTINSBAND Band 19
nicht?“
Ian rieb sich mit der Hand über die Stirn. „Weil ich noch Fragen habe.“
„Du? Oder ihr?“ Chloe bemerkte, dass seine Kollegen ihm zuwinkten, und sie schloss die Augen. „Aha. Ich werde also verdächtigt. Sag mal … küsst du alle Verdächtigen so, wie du mich geküsst hast?“
„Chloe …“
„Geh schon, deine Kollegen brauchen dich. Je früher du weg bist, desto eher kann ich aus dieser Hölle hier verschwinden, mich ins Bett verkriechen und … einen Valentinstag verschlafen, der wieder mal katastrophal verlaufen ist.“
Sie hielt die Augen immer noch geschlossen und spürte, wie er sich ein paar Sekunden später in Bewegung setzte. Chloe war zufrieden und weigerte sich einzugestehen, dass ihr Herz plötzlich unangenehm schmerzte …
Zehn Minuten später stellte Ian einen Becher mit heißem Tee vor Chloe auf den Tisch. Es war ein kümmerliches Friedensangebot, aber mehr konnte er im Moment nicht tun.
Chloe mied seinen Blick und zog den Becher zu sich heran. Dabei fiel der Ärmel seiner Sweatshirtjacke, die ihr viel zu lang war, über das Handgelenk zurück. Das Gelenk war von den Handschellen beinahe wund gescheuert. Ians Blick fiel auf die gerötete Haut, und plötzlich hatte er ein schlechtes Gewissen. „Wo ist das Erste-Hilfe-Päckchen?“
„Mir fehlt nichts“, erwiderte Chloe knapp und zog den Ärmel wieder über das Handgelenk. „Stell mir deine Fragen, wenn du meinst, dass ich dir irgendwas verraten kann. Ich möchte endlich nach Hause.“
„Ich weiß, dass du sauer bist.“
„Nein.“ Sie antwortete, wie aus der Pistole geschossen – und bewies damit genau das Gegenteil. Natürlich war sie aufgebracht, und sie fühlte sich, als hätte er sie nach Strich und Faden hintergangen.
Ian seufzte auf, drehte den Stuhl um und setzte sich rittlings darauf. Dann fuhr er mit den Fingerspitzen über die Stuhllehne und stützte schließlich das Kinn in die Handfläche.
Chloe blies in den heißen Tee. „Doch“, korrigierte sie und klang nach vollendeter Höflichkeit. „Ja.“
„Du bist sauer.“
„Okay. Es stimmt. Seltsamerweise ärgert es mich immer, wenn mich jemand anlügt, dem ich vertraut habe.“
„Ich habe nicht gelogen.“
„Wirklich nicht?“ Chloe schaute ihn mit gespielter Unschuld an. Ihre Augen waren wunderschön, und sie zeigten, wie sehr er sie verletzt hatte. „Dann hast du heute Abend wirklich ein Date gehabt?“
Okay. Er hatte doch gelogen. „Mein Partner ist leider krank geworden.“
Sie verdrehte die Augen.
„Wir sind überzeugt, dass in dem Antiquitätenladen gestohlene Kunstwerke verkauft werden. Der Laden ist die Zentrale einer Hehlerei.“
„Und was genau habe ich damit zu tun, deiner Meinung nach?“
„Ich glaube nicht, dass du …“
„Ian, was genau?“
„Du hast dich um ihre Finanzen gekümmert.“
In ihren Augen blitzte der Zorn auf. „Und du glaubst, dass ich die Bilanzen gefälscht habe?“
„Irgendjemand muss es getan haben … Wow!“ Ian griff ihr in den Arm, als sie abrupt aufsprang. „Irgendjemand, habe ich gesagt. Nicht du.“
„Ich möchte jetzt gern nach Hause fahren“, bemerkte Chloe förmlich. „Ich will mich umziehen und mich aufwärmen.“
„Einen Moment noch …“
Sie richtete sich gerade auf und drehte den Arm aus seiner Umklammerung. „Hast du irgendeine Begründung, mit der du mich hier festhalten kannst?“
„Nein, natürlich nicht. Welche Begründung sollte ich haben?“
„Wenn du mich dann bitte entschuldigen würdest …“ Mit hocherhobenem Haupt eilte sie in Richtung Tür.
„Chloe, warte.“
Natürlich wartete sie nicht. Sie trug sein Sweatshirt und hatte sich die Arme würdevoll um den Oberkörper geschlungen, als sie aus dem Polizeirevier eilte. Und aus seinem Leben, wenn sie sich selbst treu blieb …
Verdammt noch mal, fluchte Ian lautlos.
Er durfte sie nicht einfach gehen lassen. Und das hatte nichts, absolut nichts mit seinen Ermittlungen zu tun. Weil sie unschuldig war, wie sein Instinkt ihm verriet – und der log und irrte sich nie. Sein Instinkt und ein Blick in ihre Augen. Die Augen waren der Spiegel der Seele. Und Chloes Seele zeigte ihm, dass sie niemals absichtlich jemanden verletzen würde, der es nicht verdient hatte.
Zu Beginn der Ermittlungen hatte Danny ihm vorgeschlagen, sich wegen Befangenheit von dem Fall befreien zu lassen.
Er hatte sich energisch dagegen gewehrt.
Ja, er hatte sie gekannt. Sehr gut sogar. Aber das lag lange zurück, und er sollte sie längst
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