Julia-Weihnachten Band 24
Atmosphäre, die ihn umgab, war ihm offenbar angeboren.
Und genau deshalb mochte Katie ihn nicht – durfte sie ihn nicht mögen.
„Dieser Mann hat so was Wildes an sich“, murmelte Julie ihr von links zu, und ihre Stimme bebte vor Entzücken.
Für Katie hatte diese Eigenschaft ganz und gar nichts Entzückendes. Viel zu sehr wurde sie dadurch an ihren Vater erinnert. Der hatte auch Stunts geflogen und war ständig auf neue, größere Abenteuer aus gewesen. Er war Risiken eingegangen, an die andere sich nie herangewagt hätten, und hatte darüber seine Familie vernachlässigt. Zwar war er erwachsen genug gewesen, um eine Familie zu gründen, aber nicht reif genug, auch für diese Familie da zu sein. Ihr Vater war ein Mann gewesen, der immer auf Hochtouren lief, ständig auf der Suche nach neuen Kicks.
Die fand er dann als Testflieger für Flugexperimente, und bei einem dieser Flüge war er ums Leben gekommen.
Katie schluckte schwer. Obwohl das Unglück schon viele Jahre her war, fiel es ihr noch immer schwer, sich damit abzufinden.
Niemals könnte sie sich in einen Mann verlieben, der ihrem Vater so ähnlich war. In einen Mann, der nicht erwachsen werden wollte, dem sein eigenes Vergnügen mehr wert war als die Beziehung zu Menschen.
Da Katie nichts auf ihre Bemerkung erwiderte, blickte Julie sie fragend an. „Du sagst ja gar nichts. Findest du ihn nicht auch umwerfend?“
Natürlich übte er seine Wirkung auf sie aus. Schließlich war sie eine Frau. Wie er so dastand, groß und breitschultrig, mit seiner dunkelblauen Pilotenhose, die wie angegossen saß, und seinem weißen Hemd mit den hochgekrempelten Ärmeln, brachte er jede Frau dazu, verzückt zu seufzen.
So weit würde Katie natürlich nicht gehen. Aber sie fand ihn ziemlich aufregend mit seinen verwegen blitzenden blauen Augen und seinem Haar, das aussah, als hätte er es gerade mit den Fingern durchwühlt.
Doch am besten gefiel ihr sein Gesicht mit den männlichen Konturen und dem gebräunten Teint, das eine unglaubliche Vitalität ausstrahlte. Mit den Lachfältchen um die Augen und um den sinnlichen Mund, die ihr genau das bestätigten, was sie ohnehin schon wusste: Dieser Mann war nur auf Spaß und Abenteuer aus …
Mist, jetzt war ihm aufgefallen, dass sie ihn anstarrte. Doch er ließ sich nichts anmerken. Solche bewundernden Frauenblicke war er vermutlich gewohnt. Er zwinkerte ihr bloß kurz zu und lächelte dabei äußerst charmant.
Trotz ihrer Verlegenheit und ihrer Verwirrung passierte plötzlich etwas mit ihr, das sie schon kannte, und das ihr seltsam vertraut vorkam. Was war das bloß?
Wieso kam es ihr vor, als ob sie ein Geheimnis mit ihm teilen würde? Hatte sie etwa ihn statt Matt geküsst? Beinahe hätte sie bei diesem Gedanken laut herausgelacht, so abwegig erschien er ihr.
In diesem Moment betrat Matt den Raum, und sie war froh darüber. Er wirkte so seriös mit seinem perfekt gekämmten Haar, den perfekt sitzenden Hosen und dem perfekt gebügelten Hemd.
Komischerweise spürte sie bei ihm nicht dieses Aufflackern von Vertrautheit. Aber sie hatte doch Matt geküsst, oder? Klar hatte sie das, wieso kamen ihr denn plötzlich Zweifel? Um nicht weiter darüber nachzudenken, konzentrierte sie sich darauf, Matt liebenswürdig anzulächeln. Der hatte bloß leider seine Nase schon längst in die vor ihm liegenden Akten gesteckt. Ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen, hatte er sich direkt ihr gegenüber gesetzt.
Bestimmt war er einfach zu beschäftigt. Sie konnte das gut verstehen. Dennoch war ihr ein wenig die Laune verdorben.
Matt war zwar der perfekte Mann für sie, daran hatte sie keinen Zweifel, aber beachtet werden wollte sie schon ein bisschen. Entschlossen, eine Reaktion von ihm zu bekommen, setzte sie erneut ein strahlendes Lächeln auf und sagte laut: „Hallo, Matt.“
„Hm?“ Zerstreut hob er den Kopf und blinzelte sie an. „Oh, hallo.“ Er verzog sogar ein wenig den Mund zu einem Lächeln, sodass sie etwas Hoffnung schöpfte. Doch sofort widmete er sich wieder seinen Unterlagen.
Seriosität und eine gewisse Reife waren zwar durchaus positive Eigenschaften, doch langsam wurde das Ganze lächerlich. „Ich muss die ganze Zeit an die Weihnachtsparty denken.“ Diesmal hob er nicht mal den Kopf von seinen Akten, und jetzt war Katie richtiggehend beleidigt. „Und an die schöne Dekoration“, fügte sie etwas lauter hinzu. „Besonders an den Mistelzweig.“
Bei diesem Wort lächelte Matt sie geistesabwesend an.
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