Julia-Weihnachten Band 24
nicht mehr.“
„Wurde ja auch langsam Zeit, dass du zur Vernunft kommst!“, sagte Jolene.
„Ich war selbst mein schlimmster Feind“, fuhr Tom fort. „Als Kind hatte ich nie das Gefühl, so geliebt zu werden, wie ich bin. Irgendwie hat dieser Eindruck sich so verfestigt, dass er später alles andere überschattete, sogar meine Ehe. Aber die bedingungslose Liebe, die du mir heute bewiesen hast, hat meine ganze Welt verändert, Marnie.“
Es war totenstill im Esszimmer. Nur das Baby gluckste ab und zu leise. Marnie wurde bewusst, dass sie vor lauter innerer Anspannung die Sitzfläche ihres Stuhls umklammerte.
„Als mir bewusst wurde, dass mir die Vorstellung, Kinder zu bekommen, plötzlich keine Angst mehr macht, begriff ich zunächst nicht, warum. Ich wusste nur eins: dass ich eigentlich nicht von hier abreisen will.“
Tom löste eine von Marnies Händen von der Sitzfläche und nahm sie. „Doch dann hatte ich plötzlich die Erkenntnis, dass ich nichts mehr beweisen muss, weder mir selbst noch irgendjemand anderem. Ehemann und Vater zu sein, ist für mich Abenteuer genug.“
Sogar Cody schien gemerkt zu haben, dass gerade etwas Bedeutendes geschah. Er hörte auf zu essen und sah seinen Vater erwartungsvoll an.
Marnie traute kaum ihren Ohren. Sollten ihre Träume auf einmal doch wahr werden? „Was? Du willst jetzt doch Kinder?“, fragte sie mit zitternder Stimme. „Und du bist sogar bereit, in Ryder’s Crossing zu leben?“
„Ja.“
„Und was ist, wenn du deine Meinung noch änderst?“
„Auf keinen Fall.“ Tom senkte die Stimme. „Als dein Onkel bei seinem Tischgebet aufgezählt hat, wofür wir alles dankbar sein können, wurde mir bewusst, was im Leben wirklich zählt. Es sind die kleinen alltäglichen Dinge und die Menschen um uns herum.“
Ein tiefes, in seiner Intensität schon fast schmerzhaftes Glücksgefühl durchströmte Marnie. „Das geht alles so schnell. Willst du nicht noch mal gründlich darüber nachdenken?“
Tom schüttelte den Kopf. „Jetzt, wo mir endlich ein Licht aufgegangen ist, kann ich es kaum erwarten, mein neues Leben zu beginnen. Ich habe so viele Jahre vergeudet! Ich will, dass unsere Kinder so aufwachsen, wie ich es nie erlebt habe – voller Liebe. Und ich will Teil einer Gemeinschaft werden und meinen Teil zu ihr beitragen. Ich bin endlich bereit, nach Hause zu kommen, Marnie.“
Sie hatte so lange auf diesen Augenblick gewartet, dass sie jetzt, wo es so weit war, gar nicht wusste, wie sie darauf reagieren sollte. Ihr Hals fühlte sich plötzlich wie zugeschnürt an.
Sanft strich Tom ihr über die Wange. „Verzeihst du mir, was ich dir angetan habe?“, fragte er leise. „Ich war zu arrogant zuzugeben, dass du mich besser kennst als ich mich selbst.“
„Ich …“ Marnie brachte noch immer kaum ein Wort heraus. Sie machte eine hilflose Geste.
„Sieh mal einer an!“, sagte Jolene. „Meiner Enkeltochter hat es doch tatsächlich die Sprache verschlagen. Ich hätte nie gedacht, diesen Tag mal zu erleben.“
Tom nahm Marnies andere Hand. „Verzeihst du mir?“, wiederholte er.
Ihm verzeihen? Was gab es denn da zu verzeihen?
„Ich liebe dich“, antwortete Marnie, während ihr die Tränen über die Wangen strömten.
„Ich liebe dich auch.“
Nach einer Pause stand Jolene auf und nahm ihren Teller. „Sind jetzt alle mit dem Hauptgang fertig? Wenn ja, lasst uns den Tisch abräumen und das Dessert holen.“
„Hoppla!“ Dr. Spindler hob protestierend die Hände. „Setz dich bitte wieder hin!“
„Willst du mir etwa das Abräumen abnehmen?“
„Nein, ich habe eine viel bessere Idee“, antwortete er. „Tom hat mich nämlich gerade inspiriert.“
Unwillkürlich fasste Jolene sich an den Hals. Sie schien zu ahnen, was jetzt kam, wollte sich aber vermutlich nicht zu früh Hoffnungen machen.
„Tom hat gerade ein paar sehr schöne Sachen gesagt“, fuhr Artie fort. „Am beeindruckendsten fand ich, dass er sich bei Marnie dafür entschuldigt hat, sie unglücklich gemacht zu haben und sie um Verzeihung gebeten hat. Ich möchte seinem Beispiel folgen.“
„Okay, ich verzeihe dir“, unterbrach Jolene ihn schroff. „Komm zur Sache.“
Der Arzt hustete vor Schreck. „Ich wollte dich das eigentlich schon länger fragen … aber ich wusste nicht, wie …“
Ungeduldig verschränkte Jolene die Arme. „Ich warte!“
„Worauf?“
Tom fing Arties hilflosen Blick auf und formte lautlos mit den Lippen das Wort „Liebe.“
„Ach ja, stimmt“,
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