JULIA WEIHNACHTSBAND Band 22
Vorzeigefrau, betrachtete Rocco mit unverhohlenem Verlangen. Doch sein Gesicht blieb ausdruckslos, denn das alberne Flirten seiner Gastgeberin und ihre entschieden zu große Aufmerksamkeit ärgerten ihn gewaltig. Kleine Frauen mit großen Augen hatte er noch nie leiden können. Plötzlich erinnerte er sich daran, weshalb das so war. Rasch verdrängte er den unwillkommenen Gedanken.
„Sagen Sie: Wie ist es denn eigentlich, einer der begehrtesten Junggesellen der Welt zu sein?“, fragte Kaye dümmlich.
„Ziemlich lästig.“ Rocco beobachtete ungerührt, wie Kaye errötete. Er schlenderte zum Fenster und lehnte sich lässig gegen den Rahmen.
„Ja, das kann ich mir denken“, stimmte die Brünette ihm süßlich zu. „Nicht viele Männer haben Ihre Macht, Ihr gutes Aussehen und noch dazu Ihren sagenhaften Reichtum.“
Rocco ersparte sich eine Antwort. Er wandte sich um und blickte hinaus in den gepflegten Garten. Sollte er jemals heiraten, dann gewiss eine Frau mit Verstand.
Der blasse Schein der untergehenden Wintersonne fiel auf den gesenkten Kopf eines Gärtners, der das Laub auf dem weitläufigen Rasen vor dem Haus zusammenharkte. Das ungewöhnliche Honigblond seines Haars, das bei einem gewissen Lichteinfall karamellfarben erstrahlte, kam ihm seltsam vertraut vor. Die Gestalt drehte sich um, und Rocco erstarrte unwillkürlich. Es war eine Frau, und …
„Ihr Gärtner ist eine Frau?“ Die ungeheure Wut, die in ihm emporstieg, war seiner wohlklingenden tiefen Stimme in keiner Weise anzumerken. Dabei war Rocco kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Welch unglaubliche Dreistigkeit! Dieser Frau musste endlich mal jemand eine Lektion erteilen!
Ob Winton wohl schon mitgeteilt worden war, dass sich die Klatschpresse bei ihm eingeschlichen hatte? Wahrscheinlich nicht, dachte Rocco grimmig. Dabei würde sich Harris Winton nur schwer von dem Schock erholen, wenn die Medien die Affären seiner Ehefrau aufdeckten.
Seine überreichlich parfümierte Gastgeberin stellte sich dicht neben ihn und runzelte die Stirn. „Ach, diese Frau. Wir hatten ziemliche Schwierigkeiten, Personal für die Außenanlage zu bekommen. Harris sagt, die Leute wollen solche Arbeiten heutzutage nicht mehr tun.“
„Wahrscheinlich hat er recht. Ist sie schon lange bei Ihnen?“
„Erst ein paar Wochen.“ Die Brünette betrachtete ihn verwundert.
„Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden? Ich muss einen dringenden Anruf tätigen.“ Ambers Rücken schmerzte.
Die Luft war eiskalt. Doch die Gartenarbeit war so anstrengend, dass ihr die Jeans und ein dünner Pullover als Bekleidung völlig ausreichten. Ihr honigblondes Haar hatte sie mit einer Spange im Nacken zusammengefasst, aus der sich ständig einige Strähnen lösten.
Sie konnte kaum glauben, dass in zehn Tagen bereits Weihnachten war. Erschöpft richtete sie sich auf und reckte ihren schmerzenden Rücken. Sie war nur knapp einssechzig groß und schlank. Doch ihre Brüste waren voll, und ihre Hüften weiblich gerundet.
Es würde noch eine Stunde dauern, bis sie mit der Arbeit fertig war, und sie konnte es kaum erwarten. Noch vor wenigen Monaten hätte sie behauptet, dass sie große Gartenanlagen liebte. Doch die Tätigkeit bei den Wintons hatte sie rasch ernüchtert. Nichts als endlose anstrengende Schufterei bei katastrophaler Bezahlung. Denn ihr reicher Arbeitgeber war nicht gewillt, Geld für arbeitssparende Geräte wie einen Laubsauger auszugeben. Dabei war Harris Winton ein Perfektionist, der trotz widriger äußerer Umstände höchste Ansprüche stellte.
„Fegen Sie das Laub zusammen, sobald es heruntergefallen ist“, hatte er sie mit strenger Miene aufgefordert. Dabei war er gar nicht auf den Gedanken gekommen, dass dies bei dem riesigen Rasen und dem gewaltigen Baumbestand einem täglichen Kampf gegen die sprichwörtlichen Windmühlen gleichen würde.
Fang bloß nicht an, dich zu bemitleiden, forderte Amber sich auf, während sie die Schubkarre leerte. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie noch hübsche Kleider, schöne gepflegte Fingernägel und eine Karriere mit Zukunft besessen. Das war vorbei. Aber dafür habe ich Freddy, ermahnte sie sich rasch.
Freddy, die größte Freude ihres Lebens. Jedes Mal, wenn er sie anlächelte, schien ihr Herz zu zerfließen. Freddy, der sie mit solch einer spontanen Liebe erfüllt hatte, dass sie der Stärke ihrer eigenen Gefühle manchmal kaum traute. Freddy, der zwar nicht der beste Gesprächspartner sein mochte, sie dafür
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