JULIA WEIHNACHTSBAND Band 22
lassen.“
Ein stechender Schmerz durchfuhr Ambers Brust bei dieser grauenvollen Erinnerung. Sie fühlte sich richtig elend. Solch einen heftigen Gegenschlag hatte sie nicht erwartet, und sie fragte sich benommen, weshalb das so war. Schließlich galt Rocco in der Finanzwelt als gnadenloses Schlitzohr und wurde für seine brillanten Schachzüge ebenso gefürchtet wie bewundert.
Als wollte sie sich vor seiner spitzen Zunge schützen, wandte Amber sich ab. Vor achtzehn Monaten hatte Rocco sie tatsächlich fallen gelassen. Er hatte keine Sekunde gezögert, ihr den Laufpass zu geben, und auch keinen ihrer Anrufe mehr entgegengenommen. Erst als sie damit gedroht hatte, ihn persönlich aufzusuchen und mit ihm zu reden, hatte er endlich zurückgerufen und sich mit eisiger Verachtung erkundigt, ob sie zu einer Stalkerin geworden wäre.
„Wo willst du hin?“, fragte Rocco jetzt.
Amber ging nicht auf seine Frage ein. Sie hatte in der Nähe des Herrenhauses gearbeitet, und offensichtlich hatte Rocco sie erkannt und war neugierig geworden. Trotzdem war es seltsam, dass er seiner Neugierde nachgegeben hatte und zu ihr hinausgekommen war. Ein Mann, der den Verdacht hegte, sie könnte zu einer Stalkerin geworden sein, sollte alles daransetzen, dass sie ihn nicht zu Gesicht bekam.
„Amber …“
Bitterkeit stieg in ihr auf – jene zerstörerische Bitterkeit, von der sie geglaubt hatte, sie für immer überwunden zu haben. Doch nachdem sie Rocco erneut gegenüberstand, brach dieses Gefühl wie glühende Lava wieder aus ihrem Unterbewusstsein hervor. Sie ballte die Fäuste, fuhr herum und baute sich kampfeslustig vor ihm auf. Ihr Gesicht war vor Wut gerötet. „Ich hasse dich … Ich ertrage es nicht, in deiner Nähe zu sein.“
Rocco hob gelassen eine seiner dunklen Augenbrauen. Ihr Ausbruch schien ihn nicht im Geringsten zu beeindrucken.
„Und das ist nicht die Reaktion einer verschmähten Frau“, fügte sie schroff hinzu, damit er sich bloß nichts darauf einbildete. „Es ist die Reaktion einer Frau, die sich mittlerweile fragt, wie sie jemals so dumm sein konnte, sich mit einer Ratte wie dir einzulassen!“
Sofort herrschte eine gefährliche Stille. Die Atmosphäre zwischen ihnen war derartig angespannt, dass ihr die Spannung fast greifbar erschien. Rocco durchbohrte Amber beinahe mit seinem Blick. Und auch wenn sein Gesichtsausdruck kaum etwas preisgab, ahnte sie, wie wütend er war. Nein, es hatte ihm nicht gefallen, als Ratte bezeichnet zu werden.
„Trotzdem würdest du wie ein Bumerang zu mir zurückkehren, wenn ich dich darum bäte“, entgegnete er scharf.
Amber sah ihn erschrocken an. „Soll das ein Scherz sein?“
„Nur eine Feststellung. Aber reg dich nicht unnötig auf“, riet er ihr. „Ich habe nicht die Absicht, dich darum zu bitten.“
Ein ungewohnter Zorn erfasste Amber, und ihre Stimme begann zu beben. „Versuchst du etwa, mich zur Weißglut zu treiben?“
„Vielleicht möchte ich die eine oder andere Rechnung mit dir begleichen“, gab er ungerührt zu, und beobachtete sie mit grimmiger Miene. „Aber kommen wir zum eigentlichen Thema. Du arbeitest hier sicherlich nur, um die Wintons wegen irgendeiner schlüpfrigen Klatschgeschichte auszuspionieren und …“
„Wie bitte?“, unterbrach Amber ihn erschrocken, die Augen vor Entsetzen weit geöffnet.
Rocco ging nicht auf ihre Frage ein. „Harris ist mein Freund. Ich habe die Absicht, ihn vor dir zu warnen.“
„Was für eine schlüpfrige Klatschgeschichte? Wieso willst du ihn vor mir warnen?“, protestierte Amber hilflos. „Hast du den Verstand verloren? Ich spioniere niemandem nach … Herrje, ich bin hier als Gärtnerin angestellt!“
„Oh bitte“, stieß er verächtlich hervor. „Hältst du mich wirklich für so dumm?“
Amber sah ihn mit offenem Mund an und konnte nicht glauben, dass Rocco sie solcher Machenschaften bezichtigte.
„Wie viel hast du mit dieser kitschigen Herz-Schmerz-Geschichte über mich verdient?“, fragte Rocco gelangweilt.
„Nichts …“, antwortete Amber und gab sich für einen Moment den schmerzlichen Erinnerungen an die Ereignisse hin, die ihr Leben vor achtzehn Monaten zerstört hatten. Zwei Stunden hatte sie sich einer alten Schulfreundin anvertraut, und schon hatte das Unglück seinen Lauf genommen. Was wie harmloses Frauengerede aussah, hatte sie den Mann gekostet, den sie liebte, den Respekt ihrer Kollegen und schließlich ihre berufliche Karriere.
Rocco bedachte sie mit einem höhnischen
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