JULIA WEIHNACHTSBAND Band 22
hatte.
Was wollte er ihr bloß sagen? Verzweifelt zerbrach Amber sich den Kopf und sah Rocco verständnislos an.
„Nun, vielleicht nicht genau wie du“, verbesserte er sich und blickte ihr tief in die Augen. „Es war doch gewiss eine furchtbar belastende Entscheidung.“
Amber hatte genug von diesem wirren Gespräch, bei dem Rocco seine Fähigkeit verloren zu haben schien, sich klar auszudrücken „Würdest du bitte für einen Moment unterbrechen und mir mit einfachen Worten sagen, wovon du sprichst?“
„Wie bitte? Ich versuche doch nur, taktvoll zu sein, um dir nicht noch mehr Kummer zu bereiten“, stieß Rocco zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Für dich scheint dieses Thema allerdings weniger heikel zu sein, oder? Nein, streichen wir das. Ich habe es nicht gesagt, und du hast es nicht gehört. Ich verurteile dich ganz bestimmt nicht. Ich war nicht da, um dich zu unterstützen. Deshalb akzeptiere ich, dass du …“
Endlich begriff Amber, was in ihm vorging. Sie legte ihren honigblonden Kopf auf die Seite und sah ihn mit großen Augen erstaunt an. „Ist das Wort, um das du dich verzweifelt herumdrückst, etwa – Abtreibung?“
Rocco wurde aschfahl, und kleine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Haut. Er nickte hastig und atmete tief ein.
„Habe ich etwa davon gesprochen, ohne es selber zu merken?“, fragte Amber immer ungläubiger.
Rocco schüttelte verneinend den Kopf.
„Du bist also automatisch davon ausgegangen, dass ich eine Abtreibung vornehmen lassen würde, wenn ich feststellte, dass ich schwanger wäre?“
Die Luft zwischen ihnen knisterte vor Spannung.
Rocco runzelte die Stirn und sah Amber eindringlich an. „Du hast es nicht getan?“
Amber holte tief Luft, um sich auf einen offenen Schlagabtausch mit Rocco vorzubereiten. „Nein, ich habe es nicht getan. Verdammt, ich bin nicht sofort losgerannt, um die Schwangerschaft zu beenden. Du hast vielleicht Nerven, mir so etwas zu unterstellen!“
„Schon gut … Beruhige dich“, sagte Rocco, der langsam wieder klar denken konnte. „Du hast also keine Abtreibung vornehmen lassen, sondern – unser Baby geboren?“
Seine gesunde Gesichtsfarbe kehrte allmählich zurück, und er straffte erneut die Schultern. Seine Erleichterung war unübersehbar. So mühelos wie in diesem Moment hatte sie Rocco noch nie durchschaut.
„Dafür bin ich dir aufrichtig dankbar“, fuhr er mit belegter Stimme fort und bemühte sich offensichtlich, innerlich zur Ruhe zu kommen. „Die andere Lösung … Sie hätte mir ein Leben lang ein schlechtes Gewissen bereitet. Wahrscheinlich wäre ich nie damit zurechtgekommen. Dann hast du unser Kind also zur Adoption freigegeben.“
„Wie bitte?“ Amber war so erregt, dass sie kaum noch an sich halten konnte.
„Der Gedanke daran bricht mir ebenfalls das Herz …“ Roccos tiefe Stimme zitterte ein wenig bei diesem emotionalen Geständnis.
„Wirklich?“, fragte Amber fasziniert und rührte sich nicht.
„Es war sehr tapfer von dir, dass du die Schwangerschaft und alles, was dann folgte, allein durchgestanden hast. Ich werde lernen müssen, damit zu leben“, erklärte Rocco und wählte jedes Wort behutsam aus. Er bewegte sich auf äußerst brüchigem Eis, das jeden Moment brechen und ihn ertränken konnte. „Ich kann es lernen … Und ich werde es tun. Aber es ist solch ein furchtbarer Verlust für uns beide, cara mia .“
„Ja, das wäre es wahrscheinlich gewesen. Für mich ganz bestimmt“, hörte Amber sich sagen. „Und ich begreife langsam, dass es auch für dich ein Verlust gewesen wäre. Du …“
Rocco breitete beide Hände aus, damit sie einen Moment innehielt. „Kein Wort mehr, bevor ich einen Drink gehabt habe. Ich bin total durcheinander.“
Amber sah zu, wie er sich einen Brandy einschenkte – erheblich ungeschickter als sonst. „Dann magst du Kinder?“
„Ich nehme es an. Allerdings habe ich nicht viel Erfahrung mit ihnen“, gab Rocco heiser zu und reichte den Drink ungefragt an sie weiter. „Zu dem Zeitpunkt, als ich fürchtete, dich geschwängert zu haben, gefiel mir jedenfalls der Gedanke an ein Kind.“
„Tatsächlich?“ Amber betrachtete sein verkrampftes Gesicht. Rocco findet sich nur halbherzig mit meiner angeblichen Entscheidung ab, stellte sie fest, und ihr Herz machte beinahe einen Sprung vor Glück. „Das ist wirklich schön. Denn mit deiner Vermutung, was ich im Fall einer unerwarteten Schwangerschaft und ohne deine Unterstützung getan hätte,
Weitere Kostenlose Bücher