JULIA WEIHNACHTSBAND Band 22
ihnen saß.
Warum konnte sie nicht ein Leben wie Bess führen? Ein Hund hatte nur einfache Bedürfnisse. Bess wollte nichts anderes als ihr Futter und ständig in Brams Nähe sein. Für sie wäre es das Höchste, in der Küche zu Brams Füßen am Kamin sitzen zu dürfen. Selbst ein Hund hatte einen Traum.
„Danke, dass du mich abgeholt hast“, meinte Sophie nach einer Weile, weil sie das Schweigen nicht mehr ertrug.
„Wir sind doch verlobt, oder nicht? Und als Verlobter holt man seine Freundin doch wohl am Bahnhof ab.“ Bram klang ziemlich angespannt. Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf das Lenkrad, während sie in der Autoschlange darauf warteten, den Bahnhofsplatz verlassen zu können.
„Es tut mir sehr leid“, meinte Sophie verlegen. „Ich fühle mich wirklich schlecht, weil ich dir diese Verlobung aufgezwungen habe. Ich hätte nachdenken sollen, bevor ich so etwas erzähle.“
„Na ja, es ist passiert.“ Er setzte den Blinker, um rechts abzubiegen. „Jetzt müssen wir eben das Beste daraus machen. Heute haben mir bereits drei Leute gratuliert – ohne den Briefträger, der wissen wollte, wann die Hochzeit stattfindet.“
Oh Gott. Wie schrecklich! Und es war ihre Schuld.
Verstohlen sah sie zu Bram, während sie Bess’ seidige Ohren kraulte. In dem dämmrigen Licht des Wagens erschien er ihr plötzlich wie ein Fremder. Sein Gesicht wurde nur von dem schummrigen Licht der Bahnhofslaternen erhellt. Zum ersten Mal sah sie in ihm nicht den Jungen, den sie so gut kannte. Vielmehr sah sie ihn als Mann, der Stärke und Kraft ausstrahlte.
Ein Mann, auf den sie, so ganz nebenbei, Anspruch als ihren zukünftigen Ehemann erhob. Und von dem jeder in Askerby glaubte, dass er verliebt in sie sei. Vielleicht stellten sie sich vor, wie er sie mit diesem strengen Mund küsste, sie mit seinen starken Händen auszog, um sie dann im Farmhaus zu lieben. Ein seltsames Schaudern erfasste Sophie, und sie wandte schnell den Blick ab.
Diese Gedanken halfen ihr auch nicht weiter. Sie hatte Bram schon genug in Schwierigkeiten gebracht und musste die Situation nicht noch verschlimmern, indem sie auf diese Weise über ihn nachdachte. Wenn sie mit all dem fertig werden wollte, musste sie einen kühlen Kopf bewahren.
„Hoffentlich habe ich dir den Abend gestern nicht ganz verdorben“, begann sie zaghaft.
„Sagen wir es mal so: Er ist nicht ganz so verlaufen, wie ich erwartet hatte“, entgegnete Bram, während er auf die andere Spur wechselte. Sein leicht ironischer Unterton ließ Sophie aufhorchen.
Das war die falsche Antwort. Und ganz sicher der falsche Ton. Ach, ist nicht weiter wichtig , das wäre eine akzeptable Antwort gewesen. Oder noch besser: Um ehrlich zu sein, war ich froh, dass du gestört hast. Mir ist nämlich klar geworden, dass ich einen großen Fehler gemacht habe, als wir das Pub verließen . Auf jeden Fall wollte sie nichts davon hören, dass er sich eigentlich etwas anderes für den Abend erhofft hatte.
Seufzend legte Bess ihren Kopf in Sophies Schoss. „Wie lange trefft ihr beide euch denn schon? Letztes Wochenende hast du nichts davon erzählt.“
„Da gab es auch noch nichts zu erzählen. Wir haben im Pub zusammen etwas getrunken und sind dann auf einen Kaffee zu mir. Und dann hast du angerufen. Danach haben wir unseren Kaffee getrunken, und ich habe sie wieder nach Hause gefahren. Es kann keine Rede davon sein, dass wir uns treffen.“
Diese Antwort war schon besser, und Sophie stieß innerlich einen kleinen Freudenschrei aus.
„Vicky ist ja auch gar nicht dein Typ“, meinte sie aufgeräumt.
„Und warum nicht?“
„Ach … ich weiß auch nicht.“ Seine Frage hatte sie ein wenig aus dem Konzept gebracht. „Wahrscheinlich, weil sie anders als deine früheren Freundinnen ist. Rachel, zum Beispiel.“ Vicky hatte auch nichts mit Melissa gemeinsam, aber dies zu erwähnen wäre wohl wenig taktvoll gewesen.
„Mädchen wie Rachel haben kein Interesse daran, ihr Leben mitten in der Heidelandschaft von Yorkshire zu verbringen“, erklärte Bram, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. „Vielleicht ist es Zeit, dass ich mir einen anderen Typ Frau suche. Zumindest ist Vicky auch auf einer Farm zu Hause. Außerdem ist sie nett. Sie hat einiges durchgemacht und weiß, wie es ist, wenn man loslassen muss. Sie ist ruhig, sensibel und hübsch … ich könnte es wirklich schlechter treffen.“
Verwirrt starrte Sophie ihn an. Das konnte doch wohl nicht sein Ernst sein! „Dann tut es mir
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