JULIA WEIHNACHTSBAND Band 22
Dauer keine Lösung war, den Kollegen gegenüber kühl und unnahbar zu sein. Dafür arbeiteten sie zu eng zusammen. Vielleicht konnte er ihnen morgen Abend zeigen, dass Dr. Frost auch Humor hatte.
Wie lange hatte er schon nicht mehr von ganzem Herzen gelacht? An jenem Abend im Restaurant hatte er sich seit langer Zeit zum ersten Mal amüsiert. Und das nur, weil Jodie in sein Leben geplatzt war und ihn förmlich gezwungen hatte mitzugehen.
Er hätte Jodies Angebot annehmen und morgen nicht zur Party kommen sollen. Wie sollte er es ertragen, mit ihr zu tanzen, ihren Körper eng an seinem zu spüren in der Gewissheit, dass sie niemals ihm gehören konnte? Viele Menschen hatten ein weitaus härteres Schicksal, doch das war in diesem Moment kein Trost.
Morgen früh, beschloss er, würde er mit schrecklichen Halsschmerzen aufwachen und keinesfalls zur Weihnachtsparty kommen können. Dann käme Jodie zumindest nicht auf die Idee, er wolle ein Zusammentreffen mit ihr vermeiden. Sie könnte ohne schlechtes Gewissen zur Weihnachtsfeier gehen und ihm danach vollkommen unbefangen gegenübertreten – und er wäre nicht der Qual ausgesetzt, einen Abend mit dieser Frau zu verbringen, die für ihn unerreichbar war.
4. KAPITEL
Sam hätte am nächsten Tag Gelegenheit genug gehabt zu verbreiten, es gehe ihm nicht gut und er werde nicht zur Party kommen. Doch er erwähnte seine angeblichen Halsschmerzen mit keinem Wort, sondern betrat pünktlich um zehn vor sieben den Eingangsbereich des Krankenhauses. Die Aussicht auf einen Abend mit Jodie war einfach zu verlockend.
Als er sie erblickte, war er von ihrem Anblick wie verzaubert. Jodie war atemberaubend schön. Ihr Haar hatte sie hochgesteckt, doch hier und da hatte sich eine blonde Strähne gelöst und verlieh der strengen Frisur eine weiche Note. Das Make-up war dezent – gerade stark genug, um ihre ausdrucksvollen Augen und ihren sinnlichen Mund zu betonen –, und das dunkelrote Kleid aus Wildseide brachte ihr helles Haar und die grünen Augen perfekt zur Geltung und umschmeichelte ihre langen Beine.
Sie lächelte, und Sam fühlte sich, als ramme ihm jemand ein Messer in den Bauch – denn ihr Lächeln galt nicht ihm, sondern dem Mann, mit dem sie gerade ins Gespräch vertieft war: Mick Salmond, der Pfleger, der auch im Restaurant dabei gewesen war.
Das Lächeln, das sie Mick schenkte, war voller Wärme … Waren die beiden mehr als Kollegen? Aber Mick war verheiratet. Hatte Jodie etwa eine heimliche Affäre mit ihm?
„Dr. Price“, begrüßte er sie steif, „ich hoffe, ich bin nicht zu spät.“
„Nein, ich war schon ziemlich früh hier“, gab sie zurück.
„Ausnahmsweise“, mischte sich Mick neckend ein.
„Das stimmt nicht, ich bin nicht immer zu spät“, protestierte sie, doch sie lachte dabei. „Komm schon, Mick, erzähl Dr.
Taylor deine tollen Neuigkeiten.“
„Neuigkeiten?“, wiederholte Sam stirnrunzelnd.
Mick strahlte. „Ich werde Vater.“
„Ich gratuliere.“ Sam musste sich um einen freundlichen Ton bemühen. Er hatte es noch immer nicht verwunden, dass er diese drei Worte nie, niemals in seinem Leben selbst würde sagen können. Obwohl er es seit Jahren wusste, schmerzte ihn diese Gewissheit immer noch wie am ersten Tag.
„Shelley wird eine wundervolle Mutter sein“, meinte Jodie herzlich. „Sie hat mich gefragt, ob ich Patin werden möchte.“
„Wenn du selbst Mutter bist, wird vermutlich der gesamte Haushalt im Chaos versinken, weil du den ganzen Tag nur mit deinen Kindern spielst.“ Mick grinste schelmisch. „Und gleichzeitig nutzt du sie als Studienobjekte und schreibst abends, wenn sie im Bett sind, Fachartikel über Kinderpsychologie.“
Jodie verdrehte die Augen. „Das werde ich nicht tun. Ich bin nicht so verrückt, Mick.“
Er lachte. „Doch, das bist du. Ich kann mir gut vorstellen, dass du mit einem halben Dutzend Kindern durch den Garten tollst.“
„Ja, das kann ich mir allerdings auch vorstellen“, gab sie zu.
Also wünschte sie sich doch Kinder, stellte Sam ernüchtert fest, ganz gleich, was sie ihm damals im Restaurant versichert hatte. Und es war für sie selbstverständlich, dass sie eines Tages Kinder haben würde.
„Sie wird eine tolle Mutter sein, nicht war, Dr. Taylor?“, wandte Mick sich nun an ihn.
„Ja, vermutlich“, erwiderte Sam kurz. Er malte sich aus, wie Jodie auf dem Sofa saß, einen Dreijährigen im Arm, dem sie eine Geschichte vorlas, während ein Baby auf ihrem Schoß friedlich schlief.
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