JULIA WEIHNACHTSBAND Band 22
Mistelzweig … Aber wenn sie es nicht tat, würde erst recht jeder wissen, dass sie tatsächlich etwas für ihn empfand. Warum konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen?
„Ich … ich mache gerade meine Runde.“
„Ho, ho, ho, ich mache auch gerade meine Runde und habe trotzdem Zeit für jeden.“
Eine Woche lang war Sam ihr aus dem Weg gegangen, und jetzt erwartete er, dass sie ihm um den Hals fiel. Der Mann hatte Nerven! Sie hatte nicht übel Lust, ihn vors Schienbein zu treten – doch ihr war bewusst, dass alle sie ansahen. Und sie konnte dem Weihnachtsmann vor den Kindern schließlich nicht übel mitspielen.
Erneut winkte er mit dem Mistelzweig. „Nur ein wärmender Kuss, bevor ich wieder hinaus in die Kälte muss.“
Sie gab nach und beugte sich vor, um ihn auf die Wange zu küssen. Doch im selben Moment drehte er den Kopf, sodass ihr Kuss mitten auf seinem Mund landete. Ehe sie darüber nachdenken konnte, hatten zwei ältere Jungen begonnen zu pfeifen, und viele Eltern klatschten Beifall. Jodie blickte verlegen zu Sam auf und sah das silberne Funkeln in seinen Augen.
„Frohe Weihnachten“, sagte er mit belegter Stimme.
„Frohe Weihnachten“, entgegnete sie leise. Dann wandte sie sich ab und verschwand im Zimmer ihres nächsten Patienten.
6. KAPITEL
Sam blickte Jodie mit Unbehagen nach. Er hatte nicht geahnt, dass sie so reagieren würde. Insgeheim hatte er gehofft, dass ein harmloser Kuss vom Weihnachtsmann die Anspannung zwischen ihnen mildern und sie zu ihrem früheren unverbindlichen Umgangston zurückfinden könnte. Stattdessen war die Situation nur noch schlimmer geworden.
In dem Moment, als seine Lippen die ihren berührt hatten, war er verloren gewesen. Der flüchtige Kuss, den er geplant hatte, war viel zu intensiv und gefühlvoll geworden. Sam seufzte. Später würde er sich bei ihr entschuldigen – wenn er sich zurechtgelegt hatte, was er ihr sagen wollte. Wenn er ihr jetzt nachliefe, hätte er seinen Wunsch, sie noch einmal zu küssen, nicht unter Kontrolle. Das Gefühl ihres wundervollen Mundes an seinen Lippen hatte ein Verlangen in ihm ausgelöst, das er nicht mehr beherrschen konnte.
„Ho, ho, ho, frohe Weihnachten“, sagte er nun vielmehr mechanisch, während er weiterhin Geschenke verteilte, freundlich lächelte – und dabei unentwegt an Jodie dachte.
„Du solltest dich lieber unter die kalte Dusche stellen. Etwas Heißes brauchst du eigentlich nicht mehr“, sagte Fiona Ferguson und deutete auf die Tasse mit dampfendem Tee, die Jodie in ihren Händen drehte.
„Sehr witzig“, entgegnete Jodie und blickte die Freundin über den Rand der Tasse hinweg an.
„Du scheinst wohl unseren Dr. Frost aufgetaut zu haben“, meinte Fiona trocken. „Wer hätte gedacht, dass er Richards Rolle als Weihnachtsmann übernimmt? Und dass er Mistelzweige verteilt.“
„Die Zweige hat er an alle verteilt“, betonte Jodie. „An Megan, Sheila und auch an dich.“
„Aber er hat keine von uns so geküsst wie dich.“
„Das hat nichts zu bedeuten“, wehrte Jodie ab.
„Ach nein?“
Jodie seufzte. „Für ihn zumindest nicht.“
„Oje.“ Fiona öffnete ihre Keksdose und schob sie Jodie hinüber. „Greif zu. Du hörst dich so an, als könntest du einen Trost gebrauchen.“
„Ich …“ Jodie biss in einen der köstlichen Schokoladenkekse. „Ich weiß nicht, was los ist. Ich hatte das Gefühl, dass er mich mag. Und dann wieder zeigt er mir die kalte Schulter. Er ist so wechselhaft wie das Wetter, ich weiß nicht, was in ihm vorgeht. Und heute …“, sie stöhnte.
„Vermutlich ist er genauso verwirrt wie du. Warum sprichst du nicht einfach mit ihm?“
„Wann denn? Er geht mir aus dem Weg.“
Fiona zuckte die Achseln. „Überleg dir gut, was du ihm sagen willst, und dann funkst du ihn über den Notrufpieper an.“
„Und was soll ich ihm sagen?“
Fiona hob die Augenbrauen. „Was ist los mit dir? Du bist normalerweise so selbstbewusst.“
Jodie verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „In meinem Beruf, ja. Aber in Liebesdingen sieht es anders aus.“
„Du kämpfst immer für deine Überzeugungen. Also warum bist du jetzt plötzlich so zurückhaltend?“
„Weil ich …“, Jodie zögerte. „Ich weiß nicht, was ich will. Oder was er will.“
„Immerhin warst du die Einzige, mit der er auf der Weihnachtsfeier innig einen Blues getanzt hat.“
„Das war Zufall.“
Fiona lachte auf. „Er hat mit Stuart Henderson gesprochen, bevor er dich aufgefordert
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