Julia Winterträume Band 8 (German Edition)
um das zu verhindern.
„Ohne meine Söhne gehe ich nirgendwohin“, trumpfte sie auf.
„Sie bleiben hier. Bei mir.“
„Bei dir? Auf Sardinien? Wo denn? Du wohnst hier doch gar nicht, Gabriel“, entgegnete Sasha.
„Stimmt. Bis jetzt nicht“, musste er zugeben. „Aber nachdem das Hotel jetzt mir gehört, werde ich es wieder zu einer Privatvilla umbauen lassen. In den Internatsferien werden die Jungen hier leben, sodass sie im Kulturkreis ihres Vaters und seinem einstigen Elternhaus aufwachsen.“
Oberflächlich betrachtet klang das einleuchtend und einfühlsam, doch Einfühlsamkeit war etwas, das Gabriel nicht kannte. Er musste ihr etwas verheimlichen. Bang blickte Sasha zu ihren Söhnen. Es war nicht zu übersehen, dass sie Calbrinis waren, obwohl sie noch nicht die typisch sardischen Gesichtszüge besaßen wie Gabriel und Carlo. Wie stolz hatte Carlo immer wieder betont, sie seien echte Calbrinis, und er hatte ihr versprochen …
Sasha presste die Fingernägel in ihre Handflächen. Carlo war ein Ehrenmann gewesen und hätte das Versprechen nie gebrochen, das er ihr vor der Geburt der Zwillinge gegeben hatte.
„Im September werden die Jungen wieder in ihrem Londoner Internat zurückerwartet“, ließ sie Gabriel wissen.
„Wir haben ja erst Juli. Da können sie hier noch den ganzen Sommer über Spaß haben und sich an das ständige Zusammenleben mit mir gewöhnen.“
„Du willst den Sommer hier verbringen?“
„Warum nicht? Sardinien ist schließlich meine Heimat. Da ist es doch sinnvoll, dass ich hier bin, um den Umbau des Hotels zu überwachen und viel Zeit für meine Mündel zu haben, um sie richtig kennenzulernen.“
Herausfordernd warf Sasha den Kopf zurück. „Dir ist doch hoffentlich klar, dass ich hier bei ihnen bleibe?“
„Hoffst du etwa, auf diese Weise öfter Zeit dafür zu finden, nach Port Cervo zu schwirren, um einen Ersatz für Carlo zu finden? Einen neuen reichen alten Mann, dem du dich verkaufen kannst? Oder gelüstet es dich diesmal nach einem reichen jungen? Aber mach dir lieber nicht zu große Hoffnungen, Sasha. Du bist älter geworden und musst gegen enorme Konkurrenz antreten. Außerdem möchte nicht jeder Mann sich mit den Söhnen eines anderen belasten. Aber natürlich – wie konnte ich’s vergessen? Das Problem ist ja leicht zu lösen. Du steckst sie einfach wieder ins Internat und genießt das Leben ohne sie, wie neulich, als Carlo im Sterben lag.“
„Du hast kein Recht …“ Empört verstummte Sasha.
Gabriel ging einfach um sie herum und schlenderte zielstrebig auf die Jungen zu. Sie begann zu rennen, balancierte über glitschige Felsen und versuchte instinktiv, zwischen ihn und ihre Söhne zu gelangen, dabei rutschte sie aus und schrammte sich das nackte Bein an einer Felskante.
Die Jungen mussten ihre Not spüren, denn sie hörten zu spielen auf und sahen die beiden Erwachsenen auf sich zukommen. Prompt eilten die Zwillinge Sasha entgegen und stellten sich wie kleine Beschützer rechts und links neben ihre Mutter. Sie glichen einander wie ein Ei dem anderen, und selbst sie ließ sich manchmal täuschen, wenn sie Leute auszutricksen versuchten, indem einer sich für den anderen ausgab. Dennoch unterschieden sie sich durch kleine Merkmale, die nur ihre Mutter kannte.
Wie schön Sasha ist, musste Gabriel sich erneut eingestehen. Sie gebärdete sich wie eine Tigerin, die ihre Jungen verteidigt. Es kümmerte sie gar nicht, dass ihr Blut übers Bein lief und ein Riemchen ihrer Sandalette gerissen war.
Ungewollt übermannten ihn tiefe Gefühle.
Die Hierarchien in vielen Familien Sardiniens rührten weit aus der Vergangenheit her; die Geschichte der Insel war voller Vergeltungsfehden und unerbittlicher Rachefeldzüge unter verschiedenen Familien. Auch er stammte von diesen Sarden ab, die selbst heute noch nach dem Kodex lebten: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, obwohl sie sich offiziell zu modernen Gesetzen bekannten. Und er dachte genau wie seine Vorfahren. Sasha hatte ihm gehört, und zwar für so lange, bis er ihrer überdrüssig war. Er hatte über ihre Beziehung und über sie bestimmt. Nach diesem ungeschriebenen Gesetz hatte ihre Verbindung funktioniert. Doch sie hatte diese Regel gebrochen und seinen Stolz auf unverzeihliche Weise verletzt.
Nie würde er vergessen, was seine Mutter ihm angetan, dass sie ihn verlassen hatte. Während er zum Mann heranwuchs, hatte er sich geschworen, dass ihm nie mehr eine Frau wehtun sollte. In seinen Beziehungen zu
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