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Julias Geheimnis

Julias Geheimnis

Titel: Julias Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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irgendwo hingehen. Sie schienen hier alle ziemlich paranoid zu sein. Warum sollte diese alte Nonne etwas dagegen haben, dass jemand sie hörte?
    Sie schritten durch die stillen Bogengänge aus hellem, verfallenem Stein. Ruby fiel ein kleiner Glockenturm auf, der auf einem steinernen Sockel neben der Kapelle stand. Draußen sah sie ein paar Hühner und Ziegen in einem Pferch und einen Garten mit Gemüse und Mandelbäumen. Umgeben war das Areal von niedrigen Bruchsteinmauern, die, wie sie inzwischen wusste, aus dem schwarzen Vulkanstein der Insel gebaut waren.
    Durch den Bogengang gingen sie hinaus, wandten sich an einem Sandweg nach links und hielten auf die braunen Berge zu. Schwester Julia mochte betagt sein, aber für ihr Alter war sie ziemlich rüstig.
    »Wer hat Sie zu mir geschickt?«, fragte sie, während sie die steinernen Mauern des Klosters hinter sich ließen.
    »Enrique Marín.« Ob sie wohl wusste, wer das war? Nonnen hatten wahrscheinlich nicht viel mit berühmten Künstlern zu tun. »Der Maler aus dem Dorf.«
    »Aha.« Schwester Julia nickte. »Er ist der Einzige, dem ich die Geschichte je erzählt habe.«
    »Die Geschichte?« Ruby war verwirrt. Gab es eine Geschichte über Laura? Und falls ja, woher wusste diese alte Nonne, dass Laura die Person war, für die sie sich interessierte? Schließlich hatte sie Enrique Maríns Haus gerade erst verlassen. Es war unmöglich, dass er ihr bereits davon erzählt hatte. Nonnen benutzten keine Handys und hatten auch kein Festnetz   – oder?
    »Er strahlt etwas aus.« Schwester Julia hielt kurz inne und blickte zu den Bergen. »Etwas Einnehmendes.«
    Das stimmte. Ruby hatte es genauso empfunden. Sie folgte dem Blick der Nonne und sah, dass sich um die Gipfel dunkle Wolken gebildet hatten, obwohl der Rest des Himmels makellos blau war. Sie sah nur Wüste und Berge und in der Ferne das blaue Band des Ozeans. »Er ist ein charismatischer Mensch«, pflichtete sie ihr bei. Und sein Sohn auch, wenn auch auf andere Art. Sie seufzte.
    »Allerdings.« Schwester Julia wandte sich ihr zu. »Ich glaube, es liegt an seinen Augen.« Ihre eigenen Augen blitzten, und Ruby erhaschte einen Blick auf die junge Frau, die sie einmal gewesen sein musste. Sie fragte sich, was sie bewogen hatte, die Gelübde abzulegen und der Schwesternschaft beizutreten. Ob sie immer hier auf der Insel gelebt hatte? Oder hatte sie einst ein anderes Leben geführt?
    Aber Ruby teilte ihre Meinung über Enrique Maríns Augen. Sie durchbohrten einen. Es war fast, als könnten sie einem bis in die Seele blicken. Sie überlegte, was Laura wohl von ihm gehalten hatte. War sie seinem Charme ebenfalls erlegen? Sie bezweifelte es. Künstler oder nicht, Enrique Marín war sicherlich nie auf diese südländische Art attraktiv gewesen wie Julio   – oder wie Rubys leiblicher Vater, wer immer er gewesen sein mochte. Ihr gefiel der Gedanke, dass er ebenfalls ein Freigeist gewesen war. Jemand, der sich treiben ließ, wie Laura.
    »Wie heißen Sie, mein liebes Kind?«, fragte Schwester Julia.
    »Ruby. Ruby Rae.«
    »Ruby.« Schwester Julia nickte, als gefalle ihr der Name.
    »Aber meine Mutter heißt nicht so. Rae, meine ich.«
    Schwester Julia warf ihr einen durchdringenden Blick zu, der Ruby irritierte. »Natürlich nicht«, meinte sie.
    Wieso natürlich nicht ? Ruby runzelte die Stirn.
    »Natürlich wissen Sie den Namen Ihrer leiblichen Mutter nicht«, sagte Schwester Julia. »Wie könnten Sie auch? So viele Umstände haben dafür gesorgt, dass das umöglich ist.«
    »Aber   …« War es ein Fehler gewesen herzukommen? Die alte Nonne hatte geistig ganz klar gewirkt, aber vielleicht war sie doch nicht so gut beieinander, wie Ruby gedacht hatte. Sie war sehr alt. Und Nonnen lebten meist sehr von der Welt zurückgezogen. Da war es fast zwangsläufig, dass sie die Verbindung zur Realität verloren.
    Sie erreichten eine Weggabelung, und Schwester Julia bedeutete ihr, den rechten Pfad einzuschlagen, der zum Meer führte. »Wir gehen nicht weit«, beruhigte sie Ruby. »Heutzutage kann ich nicht mehr so weit laufen.«
    »Aber ich weiß den Namen meiner Mutter«, bemerkte Ruby vorsichtig. Sie würde noch ein Stück mit ihr gehen und sie dann zurück zum Kloster bringen. Das konnte nichts schaden.
    »Wirklich?« Schwester Julia drehte sich zu ihr um. »Wie ist das möglich, mein Kind?«
    »Sie heißt Laura, Laura Woods.« Und Ruby erklärte, dass Laura hier auf der Insel gelebt hatte, als sie Ruby bekam, dass sie nach

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