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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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zuzustellen hatte. Er schien von diesem Anerbieten weder beleidigt, noch geneigt es sich zu Nutze zu machen. Er sagte einfach, du wüßtest wohl, daß ihm nichts von dir käme, was er nicht mit Entzücken annähme, aber deine Vorsicht wäre überflüssig, durch den Erlös von einem kleinen Eigenthume in Granson, welches ihm von seinem geringen Erbgute noch geblieben war, und welches er verkauft hatte,
[Ich begreife nicht recht, wie dieser Anonyme Liebhaber, der, wie man weiterhin sehen wird, noch nicht vierundzwanzig Jahre alt war, ein Haus verkaufen konnte, ohne majorenn zu sein. Diese Briefe sind aber so voll von dergleichen Unwahrscheinlichkeiten, daß ich nichts weiter darüber bemerken will: genug, ich habe darauf aufmerksam gemacht.]
wäre er reichlicher mit Gelde versehen als je in seinem Leben. Uebrigens, setzte er hinzu, besitze ich manche Fertigkeit, wovon ich mich überall ernähren kann. Es wird nur ein Glück für mich sein, sie gebrauchen zu müssen, da ich vielleicht ein wenig dadurch von meinen Leiden abgezogen werde; da ich in größerer Nähe gesehen habe, welche Anwendung Julie von ihren Ueberschüssen macht, betrachte ich dieses Geld wie den geheiligten Schatz der Witwe und der Waise, dem ich um der Menschlichkeit willen nichts entziehen darf. Ich rief ihm seine Reise nach dem Wallis ins Gedächtniß, deinen Brief und die Gemessenheit deines Befehls. Es walten, sagte ich, die nämlichen Gründe ob …. Die nämlichen? Unterbrach er mich mit dem Tone des Unwillens. Die Strafe für meine Weigerung war, sie nicht wieder zu sehen: lasse sie mich bleiben, und ich nehme ihr Geld an. Wenn ich gehorche, warum mich bestrafen? Wenn ich nicht gehorche, was kann mir denn Schlimmeres geschehen? ….
    Die nämlichen? Wiederholteer mit dem Tone der Ungeduld. Unsere Verbindung war im Beginnen, jetzt ist sie im Begriffe zu enden; vielleicht gehe ich, um von ihr auf ewig getrennt zu sein; es ist nichts mehr gemein zwischen ihr und mir; wir werden ja nun Fremde für einander sein. Er sprach diese letzten Worte so gepreßt aus, daß ich mir so schwer geworden war, ihn zu reitzen, Sie sind ein Kind, sagte ich mit angenommenen Lächeln, Sie müssen noch einen Vormund haben, und ich will es sein. Ich werde das behalten, und um in dem Verkehre, in welchem wir mit einander stehen werden, zweckmäßig darüber verfügen zu können, will ich von Ihren Angelegenheiten genau unterrichtet sein. Ich suchte ihn so von seinen schlimmen Gedanken durch den Gedanken an einen vertraulichen Briefwechsel zwischen uns abzulenken, und diese schlichte Seele, die sich immer nur an alles was dich umgiebt, so zu sagen, anzuhaken sucht, ließ sich leicht dadurch kirren. Wir verabredeten dann die Adressen, und da ihm diese Veranstaltung nur angenehm sein konnte, so zog ich die Unterhandlung darüber so lange hin, bis Herr von Orbe kam, der mir ein Zeichen gab, daß alles fertig sei.
    Dein Freund begriff leicht, um was es zu thun war: er bat inständigst, daß wir ihm noch an dich schreiben ließen, aber ich habe mich wohl gehütet, es zu erlauben. Ich sah voraus, daß er zu weich werden, und daß es, wenn er kaum bis zur Hälfte seines Briefes gelangt wäre, nicht mehr möglich sein würde, ihn zur abreise zu bewegen. Jeder Aufschub, sagte ich ihm, ist gefährlich; beeilen sie sich die erste Station zu erreichen, von wo sie ihr dann in aller Muße schreiben können. Bei diesen Worten trat ich zu ihm, indem ich zugleich Herrn von Orbe einen Wink gab, indem mir das Herz von Schluchzen schwoll, und preßte mein Gesicht auf das seinige; ich weiß nicht, was weiter mit ihm geschehen ist; die Thränen verdunkelten mir das Gesicht, mein Kopf fing an zu schwindeln und es war Zeit, daß meine Rolle endete ….
    Einen Augenblick darauf hörte ich sie schnell die Treppe hinabsteigen. Ich ging hinaus an die Treppe, um ihnen mit den Augen zu folgen. Dieser letzte Zug fehlte mir noch zu meiner Verstörung; ich sah den Unsinnigen sich mitten auf der Treppe niederwerfen, tausendmal die Stufen küssen, und wie Orbe Mühe hatte, ihn von den kalten Steinen aufzureißen, gegen die er, lange Seufzer aushauchend, Leib, Kopf, Arme drückte. Ich fühlte mich nahe daran, mit einzustimmen,und zog mich hastig zurück, um nicht dem ganzen Hause einen Auftritt zu geben.
    Einige Augenblicke später kam Herr von Orbe zurück, mit dem Taschentuch vor den Augen. Es ist gethan, sagte er, sie sind unterwegs. Als er vor sein Haus kam, fand Ihr Freund die Chaise bereit stehen;

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