Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
Vom Netzwerk:
mit Lächeln.
    Bei Petrarca heißt es aber ,,sie" statt ,,er". Im italienischen Text ist dieser Unterschied nicht zu bemerken, da das persönliche Fürwort fehlt. D. Ueb.]

    Aber du, kannst du dir an dieser friedlichen Lage genügen lassen? Bist du fähig eine stille zärtliche Liebe zu genießen, die nur zum Herzen spricht, ohne die Sinne aufzuregen? Und hältst du jetzt mehr Maß in deinen Klagen als einst in deinem Begehren? Der Ton deines ersten Briefes
[Des zwölften Briefes dieser Abtheilung. D. Ueb.]
macht mich zittern. Mir bangt vor jenen sinnbethörenden Aufwallungen, die um so gefährlicher sind, weil die Einbildungskraft, welche sie anregt, keine Schranken kennt und ich fürchte, du beschimpfst noch deine Julie vor lauter Liebe. Ach, du fühlst nicht, nein, dein Herz ist nicht zart genug, um zu fühlen, wie kränkend für die Liebe eine leere Huldigung ist; du bedenkst nicht, weder daß dein Leben mir gehört, noch daß man oft in den Tod rennt, indem man der Natur zu dienen meint. Sinnlicher Mensch, wirst du niemals lieben lernen? Erinnere dich doch, erinnere dich jenes stillen, sanften Gefühles, das du einmal in dir empfandst, und mit so rührendem, zärtlichem Ausdruck schildertest. Wenn es das köstlichste ist, das die beglückte Liebe irgend genießen kann, ist es jedenfalls für getrennte Liebende das einzige, das vergönnt ist, und wenn man es einen Augenblick zu schmecken fähig war, so muß man um kein anderes mehr klagen. Ich erinnere mich der Betrachtungen, welche wir einmal, da du mich Plutarch lesen ließest, über einen verderbten Hang, der die Natur schändet, angestellt haben. Wenn diese kläglichen Freuden auch nur dies hätten, daß sie nicht getheilt werden, so wäre es schon genug, sagten wir, um sie unschmackhaft und verächtlich zu machen. Wenden wir denselben Gedanken auf die Verirrungen einer zu lebhaften Einbildungskraft an, so wird er nicht weniger zutreffen. Bedauernswerther, was für Genuß hast du, wenn du allein genießest? Einsame Lust ist todte Lust. O Liebe! deine Wollust ist lebendig: die Vereinigung der Seelen ist das, was sie beseelt, und das Vergnügen, welches man dem Geliebten gewährt, giebt dem Werth, welches er uns zurückgiebt.
    Sage doch, ich bitte dich, theurer Freund, was ist das für eine Sprache, oder vielmehr für ein Jargon in der Schilderung, die dein letzter Brief enthält? Sollte es etwa schöngeistisch sein? Wenn du dich desselben öfter mit mir zu bedienen gedenkst, so sollst du mir nur erst das Wörterbuch davon schicken, Bitte, was heißt das, eine Meinung, die der Rock eines Mannes hat? eine Seele, die man wie eine Livree anzieht? Maximen, die man nach der Elle abmessen muß? Wie magst du nur denken, daß eine arme Schweizerin diese hochtrabenden Figuren verstehen soll? Fängst du nicht gar schon an, wenn auch nicht wie die Andern, Seelen nach den Farben des Hauses anzuziehen, doch deinen Geist nach der dortigen Mode anzustreichen? Nimm dich in Acht, Freund, ich fürchte, daß der Anstrich auf diesem Grunde nicht gut steht. Was meinst du, ob wohl die
Traslati [Redefiguren.]
des Cavalier Marin, über die du so oft gespottet hast, im entferntesten an diese Metaphern reichen? Wenn man in einem Briefe einen Rock Meinungen haben läßt, warum sollte man nicht in einem Sonett das Feuer schwitzen
[Sudate o fochi, a preparar metalli („Schwitzet, ihr Feuer, Metalle zuzubereiten,“ d. h. Arbeitet mit Schweiß, mit Anstrengung!) heißt es in einem Sonett des Cav. Marin.]
lassen?
    In drei Wochen alle Gesellschaften einer großen Stadt kennen lernen, das was gesprochen wird, charkterisiren, gründlich das Wahre vom Falschen, das Wirkliche vom Scheinbaren, das was man sagt, von dem was man denkt, unterscheiden, sieh, das giebt man den Franzosen Schuld, daß sie es auswärts bisweilen thun, aber ein Fremder sollte es nicht bei ihnen ebenso machen, denn sie verdienen wohl, gründlich studirt zu werden. Auch finde ich es nicht schön, wenn man schlecht spricht von dem Lande, worin man lebt und gut aufgenommen worden: ich wollte lieber, man ließe sich durch den Anschein täuschen, als daßman auf Kosten seiner Wirthe moralisirt. Endlich ist mir jeder Beobachter verdächtig, der geistreich sein will; ich habe immer Furcht, daß er die Wahrheit der Sache dem Witze aufopfere und seine Phrase auf Kosten der Gerechtigkeit spielen lasse.
    Du weißt wohl, mein Freund, Esprit, sagt unser Muralt, ist die Manier der Franzosen. Ich finde an dir Hang zu dieser Manier, nur

Weitere Kostenlose Bücher