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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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aufzuklären. Die Zurückhaltung deines Mannes ist vielleicht ein Beispiel und eine Lehre für uns; denn in solchen Sachen macht es oft einen großen Unterschied, ob man thut, als wüßte man Etwas nicht, oder ob man es nothwendig weiß. Warte also, das fordere ich von dir, bis wir noch einmal mit einander überlegt haben. Wenn deine Ahnungen gegründet wären, und dein bedauernswerther Freund wäre nicht mehr am Leben, so bliebe nichts Besseres zu thun, als daß wir seine Geschichte und dein Unglück mit ihm begraben sein ließen. Wenn er lebt, wie ich denn hoffe, so ist es vielleicht ein anderer Fall; aber dieser müßte dann erst wirklich eintreten. Wie nun immer die Sache stehe, glaubst du nicht einige Rücksicht den Rathschlagen eines Unglücklichen schuldig zu sein, dessen Leiden allesammt dein Werk sind?
    Was die Gefahren der Einsamkeit betrifft, so begreife ich und billige deine Besorgniß, obgleich ich weiß, daß sie nicht den mindesten Grund hat. Deine früheren Fehltritte machen dich furchtsam; um so mehr verspreche ich mir Gutes von der Gegenwart. Du würdest gewiß um so weniger furchtsam sein, je mehr Ursache du. dazu hättest. Aber deine Angst um das Schicksal unseres armen Freundes kann ich nicht ungerügt lassen. Jetzt, da deine Zuneigung zu ihm ihren Charakter geändert hat, kannst du glauben, daß er mir nicht weniger theuer ist als dir. Meine Ahnung jedoch ist ganz die entgegengesetzte, und sie entspricht mehr der Vernunft. Milord Eduard hat zweimal Nachricht von ihm erhalten, und mir das letzte Mal geschrieben, daß er sich auf der Südsee befände, also die Gefahren, von denen du sprichst, schon hinter sich hatte. Du weißt dies eben so gut als ich, und bist traurig, als ob du nichts wüßtest. Aber etwas, das du noch nicht weißt, muß ich dir doch mittheilen, nämlich, daß das Schiff, auf welchem er sich befindet, vor zwei Monaten auf der Höhe der canarischen Inseln unter Segel nach Europa gesehen worden ist. So schreibt man meinem Vater aus Holland, und er hat nicht verfehlt, es mir mitzutheilen ganz nach seiner Gewohnheit, mich von den öffentlichen Angelegenheiten genauer zu unterrichten, als von seinen eigenen. Mir sagt mein Herz, daß es nicht lange dauern wird, so werden wir von unserem Philosophen Nachricht haben; und du wirst um deine Thränen sein, vorausgesetzt, daß du nicht, nachdem du seinen Tod beweint hast, darüber zu weinen findest, daß er am Leben ist. Gott sei aber Dank! darüber sind wir hinweg.
Deb. Fosse or quì miser pur un poco.
    Ch'è già piangere e di vivere lasso.

     [Ach, wär' er doch ein wenig hier, der Arme.
    Der so des Weinens müd' ist und des Lebens.
Petrarca.]
    Da hast du, was ich dir zu antworten hatte. Die, welche dich liebt, bringt dir entgegen und theilt die süße Hoffnung eines ewigen Beisammenseins. Du siehst, daß du den Plan dazu weder allein, noch zuerst gemacht hast, und daß die Ausführung desselben mehr vorgerückt ist, als du dachtest. Fasse dich also noch diesen Sommer in Geduld, meine süße Freundin; besser, sich später vereinigen, als sich nachher wieder trennen müssen. He, schöne Madame, habe ich Wort gehalten, und ist mein Triumph complet? Allons, nieder auf die Knie, man küsse achtungsvoll diesen Brief und erkenne demüthiglich, daß wenigstens einmal im Leben Julie von Wolmar in Freundschaft überboten worden ist
[Was diese gute Schweizerin glücklich ist, daß sie lustig sein kann, wenn sie lustig ist, ohne dazu Esprit, Naivetät, Finesse nöthig zu haben! Sie hat gar keine Ahnung davon, was man bei uns für Anstalten machen muß, um ein wenig Humor durchbringen zu können. Sie weiß nicht, daß man solchen guten Humor nicht für sich hat, sondern für die Anderen, und daß man nicht lacht, um zu lachen, sondern um Beifall zu ernten.]
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Dritter Brief.
Juliens Liebster an Frau von Orbe.
    Cousinchen, Wohlthäterin, Freundin, ich komme von den Grenzen der Erde, und bringe ein Herz mit zurück, das ganz von Ihnen voll ist. Ich habe viermal die Linie passirt, ich habe beide Hemisphären durchmessen, ich habe die vier Welttheile gesehen, ich bin am entgegengesetzten Ende des Diameters gewesen, ich habe den Erdball rund umreist, und habe Ihnen nicht einen Augenblick entrinnen können. Man sucht vergebens Dem zu entfliehen, was Einem theuer ist; sein Bild, geschwinder als Meer und Winde, folgt uns bis an's Ende der Welt, und überall, wohin man sich begebe, trägt man Das mit sich, worin man sein Leben hat. Ich habe viel

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