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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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Wesen sei rein passiv, und dann leiten sie aus dieser Voraussetzung Folgerungen her, um zu beweisen, daß es nicht activ sei. Eine bequeme Methode allerdings, die sie sich da erfunden haben! Wenn sie ihren Gegnern vorwerfen, eben so zu raisonniren, so haben sie Unrecht. Wir machen nicht die Voraussetzung, daß wir activ und frei sind, wir fühlen, daß wir es sind. Es ist ihre Sache, zu erweisen, nicht nur, daß uns dieses Gefühl trügen könnte, sondern, daß es uns wirklich trügt
[Dies ist nicht genau der Punk, um den es sich handelt; es handelt sich darum, zu wissen, ob der Wille sich ohne Ursache bestimmt, oder welches die Ursache ist, die ihn bestimmt.]
. Der Bischof von Cloyne hat dargethan, daß, ohne alle Aenderung in den Erscheinungen, die Materie und der Körper auch nicht zu existiren brauchten; reicht dies hin, um zu behaupten, daß sie wirklich nicht existiren? In diesem Allen kommt man bei dem bloßen Schein schlechter weg, als bei der bloßen Wirklichkeit; ich halte mich an das Einfachere.
    Ich glaube also nicht, daß Gott, nachdem er auf alle Weise den Bedürfnissen des Menschen vorgesehen hat, dem Einen vor dem Anderen außerordentliche Hülfe zukommen läßt, deren derjenige, welcher die uns Allen gemeinsamen Hülfsmittel unbenutzt läßt, unwürdig wäre, und deren Der, welcher sie benutzt, nicht bedarf. Durch die Annahme einer solchen Personenwahl beleidigt man die göttliche Gerechtigkeit. Wenn auch diese harte und entmuthigende Lehre sich aus der Schrift selbst ableiten ließe, ist es nicht meine vornehmste Pflicht, Gott zu ehren? Wie viel Achtung ich auch dem heiligen Texte schuldig sei, ich bin doch mehr Achtung seinem Urheber schuldig, und ich würde lieber die Bibel für verfälscht und unverständlich halten, als Gott für ungerecht oder böse. Sanct Paulus will nicht, daß das Gefäß zu seinem Töpfer spreche: Warum hast du mich so gemacht? Das ist recht, wenn der Töpfer von dem Gefäße nur solche Dienste fordert, die er es in Stand gesetzt hat ihm zu leisten; aber wenn er es dem Gefäß verdächte, daß es nicht zu einem Gebrauch tauglich ist, für welchen er es nicht gemacht hätte, würde dann das Gefäß Unrecht haben, zu ihm zu sprechen, warum hast du mich so gemacht?
    Folgt hieraus, daß das Gebet unnütz sei? Gott verhüte, daß ich mir dieses Zufluchtsmittel gegen meine Schwachheit raube. Alle geistigen Handlungen, welche uns zu Gott erheben, tragen uns über uns selbst hinaus; indem wir seine Hülfe anrufen, lernen wir sie finden. Nicht er wandelt uns um, sondern wir verwandeln uns, indem wiruns zu ihm erheben. Alles, was man auf rechte Weise von ihm bittet, giebt man sich, und wie Sie recht gesagt haben, man vermehrt seine Kraft, indem man seine Schwäche erkennt. Aber wenn man das Gebet mißbraucht und zum Mystiker wird, so verliert man sich, indem man sich zu erheben meint; man sucht die Gnade und verzichtet auf die Vernunft. Um ein Geschenk des Himmels zu erlangen, tritt man ein anderes mit Füßen. Indem man mit aller Gewalt von Gott erleuchtet sein will, raubt man sich das Licht, das er uns ein für alle Mal gegeben hat. Wer sind wir, daß wir Gott zwingen wollen, ein Wunder zu thun?
    Sie wissen ja, es giebt nichts Gutes, das nicht durch Uebertreibung tadelnswerth werden könnte; auch die Gottesfurcht kann in Wahnwitz umschlagen. Die Ihrige ist zu rein, um bis zu diesem Punkte fortzugehen; aber das Uebermaß, welches zur Verstörung führt, beginnt schon früher als diese, und vor seiner ersten Stufe haben Sie sich zu hüten. Ich habe Sie die Extasen der Asceten tadeln hören: wissen Sie, wie dieselben entstehen? Dadurch, daß man länger im Gebete verharrt, als es die menschliche Schwäche erlaubt. Hierbei erschöpft sich der Geist, die Einbildungskraft entzündet sich und erzeugt Gesichte, man hat Inspirationen, weissagt, und kein Verstand und Geist kann mehr vor dem Fanatismus schützen. Sie schließen sich oft in Ihrem Cabinet ein, sammeln sich, beten unaufhörlich; Sie gehen mit den Pietisten
[Eine Art Narren, welche sich einbildeten, Christen zu sein und dem Evangelium buchstäblich zu folgen, ungefähr wie heutiges Tages die Methodisten in England, die mährischen Brüder in Deutschland, die Jansenisten in Frankreich; jedoch davon abgesehen. daß den Zuletztgenannten nur die Macht fehlt, um härter und intoleranter zu sein, als ihre Feinde.]
noch nicht um, aber Sie lesen ihre Bücher.
    Ich habe Sie nie getadelt, daß Sie an den Schriften des guten Fénelon

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