Julie oder Die neue Heloise
in diesem erlauchten Stande und glaube, ungeachtet Ihrer Prätensionen, es mit Ihnen in jeder Hinsicht aufzunehmen. Ich habe eine mannbare Schwester; sie ist adlig, jung, liebenswürdig, reich: sie steht Julien in nichts nach außer in den Eigenschaften, welche Sie für nichts rechnen. Wenn Jemand, der die Reize Ihrer Tochter empfunden hat, seine Augen und sein Herz auf einen andern Gegenstand lenken könnte, wie würde ich es mir zur Ehre schätzen, mit Nichts zu meinem Schwager den Mann anzunehmen, welchen ich Ihnen mit der Hälfte meines Vermögens zum Schwiegersohn vorschlage?
Ich erkannte an der Antwort deines Vaters, daß seine Heftigkeit immer mehr zunahm, und obgleich von Bewunderung für die Großmuth Eduard's durchdrungen, fühlte ich doch, daß ein Mann von so wenig gewinnenden Manieren nur dazu geeignet war, die Sache, deren er sich hier angenommen hatte, ganz und gar zu verderben. Ich beeilte mich daher wieder zu ihnen zu gehen, ehe es noch ärger würde. Bei meinem Eintritt brachen sie das Gespräch ab, und trennten sich gleich darauf ziemlich kalt. Mein Vater, fand ich, benahm sich bei dem ganzen Streite sehr gut. Er unterstützte anfangs lebhaft den Vorschlag Eduard's; da er aber sah, daß dein Vater nichts davon hören wollte und daß die Unterredung lebhaft zu werden anfing, ging er, wie billig, zur Partei seines Schwagers über, und, indem er gelegentlich den Einen oder den Anderen durch mäßigende Bemerkungen unterbrach, hielt er sie beide in den Grenzen, welche sie, wären sie allein gewesen, wahrscheinlich überschritten haben würden. Nachdem sie fortwaren, erzählte er mir das Vorgefallene, und da ich sah, wo hinaus er wollte, kam ich ihm zuvor, und sagte, daß es bei dieser Lage der Sachen wohl nicht passend wäre, wenn die in Rede stehende Person dich hier so oft sähe, ja, daß es sich gar nicht mehr schicken würde, ihn im Hause aufzunehmen, wenn es nicht für Herrn von Orbe gewissermaßen eine Beleidigung wäre, da er dessen Freund ist; ich würde Herrn von Orbe aber bitten, ihn seltener zu uns zu führen, wie auch Milord Eduard. Dies war das Beste, was ich thun konnte, meine Liebe, um ihnen nicht ganz und gar meine Thür zu schließen.
Ich bin noch nicht fertig. Die Krisis, in welcher ich dich nun sehe, zwingt mich, auf meine neulichen Rathschläge zurückzukommen. Der Handel zwischen Milord Eduard und deinem Freund hat ganz das Aufsehen in der Stadt gemacht, welches zu erwarten war. Obgleich Herr v. Orbe die Ursache des Streites nicht verrathen hat, haben doch zu viele Anzeichen diese vermuthen lassen, als daß sie verborgen bleiben konnte. Man argwöhnt, man denkt sich, man nennt dich: das Geschichtchen des Wächters ist nicht so ganz erstick worden, daß man nicht wieder daran erinnert würde, und du weißt wohl, daß dem Publicum seine Vermuthung im Augenblick zur Gewißheit wird. Alles was ich dir zu deinem Troste sagen kann, ist, daß man im Allgemeinen deine Wahl billigt und die Vereinigung eines so liebenswürdigen Paares mit Vergnügen sehen würde; dies giebt mir die Bestätigung, daß sich dein Freund hier gut benommen hat und nicht weniger beliebt ist als du. Aber was vermag die öffentliche Stimme gegen deinen unbeugsamen Vater? Alle diese Gerüchte sind ihm schon zu Ohren gekommen, oder es wird doch geschehen und ich zittere vor dem was daraus entstehen muß, wenn du nicht seinem Zorne zuvorkommst. Du mußt auf eine Scene von seiner Seite gefaßt sein, die für dich fürchterlich sein, wird und vielleicht noch etwas Schlimmeres für deinen Freund; nicht, als dächte ich, daß er sich in seinem Alter mit einem jungen Manne würde messen wollen, den er seines Degens gar nicht für werth hält, aber der Einfluß, welchen er in der Stadt hat, wird ihm tausend Mittel an die Hand geben, Jenem ein böses Spiel zu machen, und es ist zu fürchten, daß er in seiner Wuth dazu geneigt sein werde.
Ich bitte dich fußfällig, meine süße Freundin, denke an die Gefahren, welche dich umringen und die mit jedem Augenblicke drohender werden. Ein unerhörtes Glück hat dich bisher durch das Alles hindurchgeführt; lege, so lange es noch Zeit ist, das Siegel der Klugheit auf das Geheimniß deiner Liebe und treibe nicht das Glück auf die Spitze, damit es nicht Den mit in dein Unglück verwickle, der die Ursache davon sein wird, Glaube mir, mein Engel, die Zukunft ist ungewiß; tausend Ereignisse können mit der Zeit unerwartete Hülfsquellen eröffnen, aber für jetzt, ich habe es dir
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