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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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tröste einen Unglücklichen, sage ihm hundertmal .… ach! …. sage ihm …. Glaubst du nicht, theure Freundin, trotz aller Vorurtheile, aller Hindernisse, aller Schicksalsschläge, daß uns der Himmel für einander geschaffen hat? Ja, ja, ich bin dessen gewiß, es ist uns bestimmt, vereinigt zu werden; es ist mir unmöglich, diesen Gedanken aufzugeben, es ist mir unmöglich, der Hoffnung zu entsagen, die sich daran knüpft.
    Sage ihm, daß er sich auch vor Muthlosigkeit und Verzweiflung hüten solle. Vergeude nicht die Zeit damit, in meinem Namen Liebe und Treue von ihm zu fordern, noch weniger ihm das meinerseits zu versprechen: ist die Gewißheit davon nicht im Grunde unserer Seelen? Fühlen wir nicht, daß sie untrennbar sind, und daß wir beide nur eine einzige haben? Sage ihm also nur, daß er hoffen solle, und wenn uns auch das Schicksal verfolgt, daß er wenigstens der Liebe vertrauen solle: denn ich fühle es, Cousine, sie wird auf eine oder die andere Art die Wunde heilen, die sie uns schlägt, und was auch der Himmel über uns beschließe, wir werden nicht lange getrennt leben.
    N. S. Nachdem mein Brief geschrieben war, bin ich in das Zimmer meiner Mutter gegangen, und mir ist dort so übel geworden, daß ich mich habe ins Bett legen müssen; ich bemerke auch …. ich fürchte …. ach, Liebste, ich fürchte, daß mein gestriger Fall eine schlimmere Folge haben werde, als ich dachte. So ist den Alles dahin für mich; alle meine Hoffnungen verlassen mich zugleich.
     
Vierundsechzigster Brief.
Clara an Herrn v. Orbe.
    Mein Vater hat mir heute das Gespräch wieder erzählt, welches er gestern mit Ihnen gehabt hat. Ich sehe mit Vergnügen, daß Alles auf dem Wege zu dem ist, was Sie Ihr Glück zu nennen belieben. Ich hoffe, Sie wissen es, auch das meinige dabei zu finden; die Achtung, die Freundschaft haben Sie sich gewonnen und Alles was von den zärtlichsten Gefühlen in meinem Herzen Raum hat, gehört Ihnen auch. Aber täuschen Sie sich nur nicht: ich bin als Weib eine Art Wunder; ich weiß nicht, durch was für ein Naturspiel die Freundschaft bei mir der Liebe den Rang abläuft. Wenn ich Ihnen sage, daß mir meine Julie theurer ist als Sie, so lachen Sie mich aus, und doch ist nichts so wahr. Julie fühlt das auch so gut, daß sie für Sie eifersüchtiger ist als Sie selbst, und, während Sie ganz zufrieden scheinen, ewig findet, daß ich Sie nicht genug liebe. Mehr als das, ich hänge so an Allem was ihr theuer ist, daß ihr Liebhaber und Sie in meinem Herzen fast gleiche Stelle einnehmen, obschon auf verschiedene Art. Ich fühle für ihn bloße Freundschaft, aber sie ist lebhafter als Freundschaft; für Sie glaube ich ein wenig Liebe zu fühlen, aber sie ist gesetzter als Liebe. Obgleich das Alles ziemlich einerlei scheinen sollte, um die Ruhe eines eifersüchtigen Mannes zu stören, denke ich doch nicht, daß die Ihrige dabei sehr aus dem Häuschen kommt.
    Wie entfernt sind die armen Kinder von dieser süßen Ruhe, deren wir uns zu erfreuen den Muth haben; ach, wie schlecht läßt unsere Zufriedenheit, während unsere Freunde verzweifeln. Es ist vorbei; sie müssen sich verlassen; vielleicht ist es der Augenblick ihrer Trennung auf ewig, und die Traurigkeit, die wir ihnen an dem Concerttage vorwarfen, war vielleicht eine Vorahnung, daß sie sich zum letzten Male sähen. Indessen weiß Ihr Freund noch nichts von seinem Unstern: in der Sicherheit seines Herzens genießt er noch des Glückes, das er schon verloren hat; im verzweifelten Augenblicke schmeichelt er sich in Gedanken mit einem Schatten von Glück, und gleich Dem, den ein plötzlicher Tod dahinrafft, meint der Unglückliche zu leben, und sieht den Tod nicht, der die Hand nach ihm ausgestreckt hat! Von meiner Hand soll er den tödtlichen Stoß empfangen! O himmlische Freundschaft, Abgott meines Herzens, komm, beseele es mit deiner heiligen Grausamkeit! Gieb mir den Muth, unbarmherzig zu sein und dir würdig zu dienen, bei einer so schmerzlichen Pflicht.
    Ich zähle bei dieser Gelegenheit auf Sie und würde selbst dann auf Sie zählen, wenn Sie mich weniger liebten; denn ich kenne Ihr Gemüth; ich weiß, daß es des Spornes der Liebe nicht bedarf, wo die Menschlichkeit fordert. Es handelt sich für's Erste darum, unsern Freund morgen früh zu mir zu nöthigen. Nehmen Sie sich aber in Acht, ihn auf irgend etwas vorzubereiten. Heute wird man mich in Freiheit lassen: denn ich will den Nachmittag bei Julie sein: suchen Sie Milord Eduard auf, und

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