Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
wenn sie das liest, aber Isabel hat die Geschichte mit dem geschenkten Dildo nicht erfunden. Wir hatten uns per E-Mail - privat, wohlgemerkt - über Isabels Sexleben unterhalten, was wohl nicht so ganz befriedigend war, aber nun ja, bei wem ist es das schon? Ich bin nicht gerade eine Dildospezialistin, aber ich habe mal eine Zeit lang in San Francisco gelebt. Wahrscheinlich ging es mir bloß um eine hippe Pro-Sex-Attitüde oder so was, es ist nämlich ganz schön, wenn man als Isabels Freundin mal von etwas mehr versteht als sie. Ich beschrieb ihr also die Freuden des Sexspielzeugs - wovon ich mehr aus zweiter Hand durch jahrelanges Surfen im Internet wusste als aus eigener Erfahrung. Aber anscheinend habe ich meine Sache gut gemacht, denn Isabel war am Ende ganz fasziniert. Ich konnte gar nicht anders, als ihr zum Geburtstag einen Dildo zu schenken, und das tat ich denn auch.
Meine Güte, hoffentlich stand ihr Mann nicht auf ihrer Mailingliste!
Ich war mir keineswegs sicher, wie ich auf dieses Schreiben antworten sollte, deshalb schaltete ich den Computer wieder aus und ging zurück in die Küche. Ich befand, dass Erics, Heathcliffs und Sallys späte Rückkehr ein gutes Zeichen sei, und öffnete das Buch auf der Seite, wo das Mark ausgelöst wird.
»Den Knochen senkrecht stellen und mit einem Beil spalten«, schrieb Julia, souverän und unbekümmert wie immer. Schon aus dem Stegreif fiel mir auf, dass die Sache möglicherweise einen Haken hatte: Ich besaß kein Beil. Und noch weitere böse Ahnungen schwirrten mir durch die Hirnschale.
In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen. Eric und Heathcliff stelzten aus der Kälte herein wie zwei Polarforscher. Eric trug seine Plastiktüte wie einen wertvollen Eisbohrkern in Händen. Er erwartete zweifelsohne zumindest einen dankbaren Kuss - vielleicht auch einiges mehr. »Wie war ich?!«, brüllte er.
»Du hast es gekriegt?«
»Klaro!« Er gackerte, tanzte sogar ein bisschen herum. Heathcliff grinste schief, verdrehte aber zum Glück nicht auch noch die Augen.
»Habt ihr Sally dagegen eintauschen müssen?«
»Was?«
Heathcliff erklärte: »Sie konnte nicht. Wollte sich die U-Bahn nicht antun.«
Ich seufzte. Ich hatte Eric nicht mit einem Kuss begrüßt, und er sah seine Hoffnungen auf demonstrative Dankesbezeugungen allmählich schwinden.
»Na ja, vielleicht ist es besser so.«
»Wie meinst du das?«
»Wir müssen jetzt das Mark auslösen.« Ich warf den beiden einen leicht verzweifelten Blick zu. »Vielleicht wollte sie da nicht dabei sein.«
Mein größtes Messer war ein etwa 22 Zentimeter langes Sägemesser, dessen Klinge an der breitesten Stelle knapp vier Zentimeter maß. Ich hatte es immer ziemlich eindrucksvoll, geradezu beängstigend gefunden, aber schon nach dem ersten Hieb merkte ich, dass es dieser Aufgabe nicht gewachsen war. »Julia muss die Kraft von zehn Sekretärinnen gehabt haben«, murmelte ich. »Sie hätte Kreuzfahrer werden sollen, da hätte sie jede Menge Ungläubige ins Jenseits befördert. ›Mit einem Beil spalten!‹ Wer’s glaubt, wird selig.«
Eine Weile standen Eric und Heathcliff schweigend vor dem Knochen. Eric stützte das Kinn nachdenklich in die Hand, und Heathcliff kratzte sich am Hinterkopf.
Vor einigen Jahren hatte Heathcliff eine Weile in New York gelebt. Ursprünglich wollte er sich nur für ein paar Wochen auf unsere Couch hauen, solange er eine Wohnung suchte, aber schließlich blieb er ein ganzes Jahr. Das klingt ziemlich gruselig, ein Ehepaar, dessen Schwager ständig im Wohnzimmer haust, aber im Grunde ging es ganz gut. Wir kochten viel zusammen - Heathcliff macht eine miese Pasta mit Spinat, Würstchen und Sahne -, schauten haufenweise Filme an und verlebten eigentlich eine ganz schöne Zeit miteinander. Die Kehrseite der Medaille war, dass Eric und ich das ganze Jahr nur etwa zwölf Mal miteinander schliefen. (Die Schuld daran sollten wir allerdings nicht ausschließlich Heathcliff in die Schuhe schieben.) Andererseits konnte ich mich häufig zurücklehnen, während mein Mann und mein Bruder diverse Haushaltsprobleme lösten; das war sehr vergnüglich und ersparte mir viel Arbeit. Ihnen jetzt zuzusehen, wie sie das Rindermarkproblem angingen, machte mich irgendwie wehmütig.
»Hast du eine Stichsäge?«, fragte Heathcliff.
Zwanzig Minuten lang fuhrwerkten die beiden mit der Säge hin und her, die Eric aus dem Schrank in der Diele ausgegraben hatte, bis beiden der Schweiß von der Stirn troff. Sie brachten
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