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Julischatten

Julischatten

Titel: Julischatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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gen Westen gefahren. In Sturgis war er in Richtung Norden gebogen und zum Bear Butte gefahren, dem heiligen Berg. Hundert Meilen entfernt vom Reservat wuchs er in Form eines liegenden Bären aus der flachen Prärie.
    Das gehörte alles mal uns, hatte Jimi gedacht. Seit Hunderten von Jahren besuchten Leute vom Volk der Lakota, Cheyenne und anderer Stämme den Paha Mato, um hier zu beten und um eine Vision zu bitten. Tashunka Witkos Vater hatte eines Nachts die felsige Spitze des frei stehenden Berges erklommen und dort oben eine Vision erhalten, die ihm die Kraft gab, die weißen Eindringlinge zurückzuschlagen. Später vermachte er diese Kraft offiziell Crazy Horse, seinem Sohn. Andere große Häuptlinge waren in Demut und Respekt zum Berg gekommen, oft in großer Verzweiflung.
    Auch Jimi war in großer Not und hoffte auf eine Vision, die ihm den Weg weisen würde. Die ganze Sache war eine spontane Eingebung gewesen und deshalb hatte er ein wenig improvisieren müssen. Er hatte den Boden der Grube mit Salbei ausgepolstert und seinen letzten Tabak am Rand der Grube verstreut. Lakota-Geister waren nicht kleinlich.
    Sein Magen knurrte und sein Körper sehnte sich nach Schlaf, aber seine Knie, auf denen er nun schon seit Stunden in dieser unbequemen Stellung hockte, schmerzten. Der kalte Regen, der durch die ölgetränkte Decke drang und sich in der Grube sammelte, hielt ihn ebenso wach wie seine Angst, er könnte seinen Bruder auf dem Gewissen haben.
    Obwohl Jimi wusste, dass er der Einzige am Berg war, hörte er durch das Rauschen des Regens seltsame Laute, die er keinem bekannten Tier zuordnen konnte. Er dachte an eine Geschichte, die Lukas ihm erzählt hatte, ein paar Tage nachdem sie zu Bernadine gekommen waren.
    Ein Junge war von seinem Vater in den Wald gebracht worden, um ein Mann zu werden. Der Vater verband seinem Sohn die Augen, setzte ihn auf einen Baumstumpf und ließ ihn allein. Die verschiedenen Geräusche des Waldes ängstigten den Jungen. Wilde Bestien mussten um ihn herumschleichen, so hörte sich das jedenfalls an. Und der Junge war auch nicht sicher, ob da nicht vielleicht Menschen waren, die ihm Böses wollten. Aber er ließ die Augenbinde, wo sie war. Tapfer harrte er auf seinem Baumstumpf aus, denn es war der einzige Weg, zum Mann zu werden.
    Als die Morgensonne das Gesicht des Jungen wärmte, nahm er die Augenbinde ab und sah seinen Vater lächelnd auf einem Baumstumpf sitzen, nur wenige Meter von ihm entfernt. Er war die ganze Zeit dort gewesen und hatte aufgepasst, dass seinem Sohn nichts passiert.
    »Ich muss immer mit einer Augenbinde herumlaufen«, hatte Lukas damals zu Jimi gesagt. »Mir bleibt nichts anderes übrig, als darauf zu vertrauen, dass Wakan Tanka bei mir sitzt und mich beschützt.«
    Jimi schloss die Augen. Er hatte seinen Hunka-Bruder nicht beschützt, als das Feuer sein Leben bedrohte. Und nun blieb ihm nur die Hoffnung, dass Wakan Tanka neben Lukas gesessen und ihm einen Weg aus dem Feuer gewiesen hatte.
    Lukas war sein Freund. Und auch wenn Sim zwischen ihnen stand – er hatte nicht gewollt, dass ihm etwas passierte. Jimi dachte an die Todesangst, die er auf dem Schrottplatz empfunden hatte, und wie entsetzlich sich Lukas gefühlt haben musste, als er begriff, dass sein bester Freund ihn verraten und allein gelassen hatte.
    Während Jimi in seiner Grube zitterte und versuchte, seinen Durst zu vergessen, begriff er, dass er verantwortlich war für den Schmerz, den er anderen zugefügt hatte. Und ihm wurde klar, dass Freundschaft auch bedeutete, was man bereit war, für den anderen aufzugeben.
    Am nächsten Vormittag ritten Lukas und Sim gefolgt von Juniper zur Schlucht. Aus der Entfernung sahen die kahlen schwarzen Hügel aus wie die Landschaft einer Endzeitsaga. Der Geruch von verbrannter Erde schwebte in der Luft. Ghost war nervös, aber er gehorchte Lukas und trug sie über den verbrannten Boden.
    Sie ritten an einer Reihe verkohlter Zaunpfosten entlang. Angesengte Grashüpfer mit verbrannten Beinen und Flügeln sprangen in verrücktem Zickzack vor ihnen auf und verbreiteten einen widerlichen Geruch. Ein Kaninchen, vollkommen seiner Tarnung beraubt, floh vor ihnen und Juniper jagte ihm nach, bis es in seinem Bau verschwand.
    Als sie am Felsplateau angekommen waren, stiegen sie ab und Sim erzählte Lukas, was sie sah. Dass das Feuer die Felsplatte vollkommen eingeschlossen hatte. In östlicher und südlicher Richtung über mehr als einen halben Kilometer, in westlicher

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