Julischatten
erzählt und gelacht. Kaum jemand schien wirklich auf die Musik zu hören. Dabei war nicht nur der Punk super, sondern auch die Texte.
Why must we live this way? With nothing inside? Klee sang und Clay spielte ein langes Gitarrensolo. Jenedas kleine Tochter saß mit riesigen Kopfhörern auf der Bühne und spielte mit ihren Puppen, während ihre Mutter der Gitarre wilde Riffs entlockte.
Lukas bewegte sich im Takt der Musik, tanzte nach einem ganz eigenen Gefühl für den Rhythmus. Es sah aus, als könne sein Körper nicht stillhalten, als würden seine Gliedmaßen machen, was sie wollten. Die meisten Leute gingen auf Abstand, damit er sie nicht versehentlich anrempelte.
Jimi stand mit einer Cola vor der Bühne, er wippte nur leicht zur Musik. »Kann ich einen Schluck haben?«, fragte Sim – sie war durstig.
Er zögerte, kurz nur, und reichte ihr seine Coladose. Sie setzte an und trank gierig, doch da griff er schon wieder danach. »Hey, hey, hey, nicht so hastig, okay?« Jimi nahm ihr die Dose aus der Hand.
Sim verschluckte sich und hustete. Das Cola-Whiskey-Gemisch brannte in ihrer Kehle, es war ein vertrautes Gefühl, unerwartet, aber sehr willkommen.
»Verdammt«, krächzte sie und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, »da ist ja…«
Zu mehr kam sie nicht, denn Jimis Lippen verschlossen ihren Mund. Seine Zunge, die nach Alkohol schmeckte, suchte ihre Zunge. Völlig überrumpelt japste Sim nach Luft, doch bevor sie protestieren konnte, flüsterte Jimi an ihrem Ohr: »Halt die Klappe, wenn ich dich küsse, okay?« Und noch einmal presste er seine Lippen auf ihre.
Der Alkohol rann durch ihre Adern. Mutig geworden griff Sim nach der Dose in Jimis Hand und er überließ sie ihr grinsend. Angesichts der Indianerpolizisten, die da waren, um das Alkoholverbot durchzusetzen, schmeckte die Zombie-Cola doppelt gut.
Beschwipst, wie sie war, begannen auch Sims Beine zu zucken. Ihr ganzer Körper fühlte sich auf einmal leicht an und frei. Sie schloss die Augen und begann zu tanzen. Die Musik durchströmte sie wie der Alkohol, bis in jede Faser ihres Körpers. Ihre Arme und Beine schienen lebendige Wesen zu sein, unabhängig von ihrem Willen.
Jimi versorgte Sim mit Nachschub und mit zunehmendem Alkoholpegel wurden ihre Bewegungen immer wilder. Sie rempelte andere beim Tanzen an und spöttische Bemerkungen fielen, schließlich auch abfällige. Hinter dem Whiskeynebel, der ihr Hirn wie ein Wattepolster umgab, hörte Sim das Wort Wasicun. Aber sie scherte sich nicht darum, es war ihr egal.
Jimi Little Wolf hatte sie vor allen Leuten geküsst und es hatte sich gut angefühlt. Das war alles, was jetzt noch zählte.
Jemand prallte mit der Schulter gegen seine Brust und Lukas wusste sofort, wer es war. Der blaue Geruch nach Sims Duschbad stieg ihm in die Nase.
»Hey Luke«, rief sie aufgekratzt, »lass uns tanzen.« Er roch ihren Alkoholatem und ihre Hände zerrten an ihm wie kleine Tiere. Sie war eine andere Sim als die, die er kannte.
»Du bist betrunken.«
»Na und?« Sie kicherte.
»Besser, wir verschwinden hier«, sagte er. »Sonst bekommen wir Ärger.« Die Stammespolizei war schnell dabei, jemanden für eine Nacht in die Arrestzelle zu sperren, wenn er das Alkoholverbot missachtete. Dass Sim ein weißes Mädchen war, tat dabei nichts zur Sache, im Gegenteil: Es würde ihnen ganz besondere Freude machen, einer weißen Göre zu zeigen, dass im Reservat für alle die gleichen Regeln galten.
Sim wand sich aus seinen Armen, bevor er sie richtig zu fassen bekam.
»Ich hab sie«, sagte Jimi, »alles ist okay.«
»Nichts ist okay«, sagte Lukas. »Hat sie das Zeug etwa von dir?«
»Komm mal runter, Amigo«, zischte Jimi. »Sie hat bloß ein paar Schlucke von meiner Cola getrunken. Ich konnte ja nicht ahnen, dass sie gleich so austickt.«
»Sie ist völlig zu, verdammt. Und ich habe Jo versprochen, auf sie aufzupassen.«
»Sim ist sechzehn, sie kann auf sich selber aufpassen.«
»Da habe ich aber einen ganz anderen Eindruck. Wir müssen sie von hier wegbringen, bevor es Ärger gibt.«
Glücklicherweise gab Jimi nach. Sim in der Mitte, drängelten sie sich zwischen den anderen hindurch vom Platz und kamen unbehelligt zu Jimis Mustang. Lukas stolperte zweimal bei dieser Aktion und beide Male hätte er Sim beinahe mit zu Boden gerissen. Vermutlich machte er einen betrunkeneren Eindruck als sie.
Endlich saßen sie im Auto. Aber auch Jimi hatte Zombie-Cola getrunken, also konnte er nicht fahren. An diesem
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