Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
zu verstecken? Etwas Sichereres als einen Tresor, von dem niemand etwas weiß, in einem streng geheimen Bunker, der über alle Maßen bewacht ist, gibt es nicht. Hier meine Theorie: Grad kam während des Krieges, oder kurz danach, an Kirchenkunst aus Gold und musste diese verschwinden lassen. Um diese Theorie zu stützen, muss ich jetzt wissen, ob etwas gestohlen worden ist. Ich hätte natürlich die offiziellen Aufzeichnungen durchwälzen können, aber ich dachte, ich frage Sie, Hochwürden.«
Pfarrer Lütgens saß da, als laste ein Kreuz auf ihm. »Dort hättest du nichts gefunden.«
»Soll das heißen, es gibt etwas?«
»Nicht wirklich, nein. Es gibt nichts, weil es nichts geben darf.« Lütgens legte seine Hand auf Julius’ und drückte fest zu. »Dies darf niemals bekannt werden. Du darfst es nicht der Polizei sagen.«
»Was meinen Sie damit, Hochwürden?«
»Schwörst du?«
»Man soll nicht schwören, das wissen Sie doch.«
» Versprichst du es mir? Dein Wort ist mir Wort genug.«
»Ja. Natürlich.« Julius kreuzte die Finger.
Lütgens blickte sich um, sicherstellend, dass die Kirche menschenleer war. Dann stand er auf und verriegelte den Eingang.
»Du kennst vielleicht die Kirche St. Johannes der Täufer in Adenau?«
»Leider nicht, Hochwürden.«
»Du solltest sie dir unbedingt einmal anschauen. Im Hauptchor findet sich der Hochaltar aus Resten eines Altarschreines vom Anfang des 16. Jahrhunderts. Faszinierend ist auch der romanische Taufstein aus Basalt.«
»Ich werde es mir anschauen.«
Lütgens fuhr im Schneckentempo fort. »Dieses Gotteshaus war ursprünglich Eigenkirche der Grafen von Are-Nürburg. Durch eine Schenkung im 13. Jahrhundert erhielten die Ordensbrüder des Johanniterordens das Patronatsrecht über sie.«
»Hochwürden, Sie wissen, dass mich Geschichte fasziniert, ich bin froh über jede Ihrer Anmerkungen, aber könnten Sie zum interessanten Punkt kommen?«
»Ich finde sie alle interessant . Aber ich weiß, was du meinst. Ein Großteil der Kirche, um genau zu sein das ehemalige Langhaus, wurde im Zweiten Weltkrieg, ziemlich zum Ende hin im Jahr 1945, durch einen Bombenangriff zerstört.« Lütgens stand wieder auf. »Kirchen müssen in ihrem Leben viel ertragen.« Er ging zu einem der südlichen Arkadenbögen. »Sieh zum Beispiel hier, die beiden Fresken. Sie sind kaum noch zu erkennen. Auf einer siehst du den Gekreuzigten, auf der anderen den Weltenrichter in rotem Mantel, die Rechte zum Segnen erhoben. Nur die große Wunde an der Brust ist noch deutlich zu erkennen. Mehr nicht. Ich würde mir so wünschen, sie einmal in ihrer alten Pracht sehen zu können. Es wird mir nicht vergönnt sein. Es wird niemandem vergönnt sein.«
Julius hätte Lütgens am liebsten angeschoben.
»Ich werde nun zu dem kommen, was dich interessieren wird, Julius Eichendorff. Aber du musst es, wie ich schon sagte, für dich behalten, und dafür habe ich dein Ehrenwort.« Lütgens schluckte. »Selbst in der katholischen Kirche wissen es nicht viele. In ein paar Jahren wird es einer weniger sein.« Er lächelte und setzte sich wieder in die Bank neben Julius.
»In der Adenauer Pfarrkirche befand sich etwas von großem Wert. Von sehr großem Wert. Bis zum Bombenangriff. Danach wurde es von vielen Helfern gesucht, welche die Trümmer Stein für Stein umdrehten, doch es blieb verschwunden. Nun wirst du dich bestimmt fragen, warum die Kirche diesen Verlust verschwiegen hat.«
Das war nur eine der Fragen, die Julius in diesem Moment hatte.
»Einige unserer älteren Priester, die Erfahrung mit Kirchendiebstählen hatten, sagten, der Gegenstand würde eher wieder auftauchen, wenn er nicht offiziell vermisst würde. Wenn die Ware also nicht ›heiß‹, so sagt man, glaube ich, sei. Die Kirche hat ihre Experten, die nach gestohlenen Stücken suchen. Rom wurde informiert und ließ die internationalen Kunstmärkte durchforsten, als sich diese nach dem Krieg wieder konstituiert hatten. Sie fanden nichts. Den Leuten vor Ort wurde erzählt, die Monstranz sei beim Angriff vollständig zerstört worden, was allerdings unwahrscheinlich ist bei einem Stück dieser Größe. Die Leute haben es geglaubt, weil sie es glauben wollten. Ich denke, wir hätten die Polizei informieren sollen. Was hätte es uns geschadet, wenn wir sie um Stillschweigen gebeten hätten? Aber ich war damals, wie auch heute, nur ein unbedeutendes Rädchen.«
Er untertrieb, wie Julius wusste. Lütgens kannte viele Menschen. Er wusste
Weitere Kostenlose Bücher