Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
und bin weitergefahren, einfach weg, bis ich in einem Supermarkt eine Anzeige sah. Jemand vermietete privat eine Berghütte ohne jeglichen Komfort. Ich hab einen falschen Namen angegeben und bin dahin. Nur allein sein …«
»Und warum sind Sie so plötzlich in Ihren Urlaub aufgebrochen?«
Barbara Grad fuhr sich mit der flachen Hand über die Stirn. »Wegen meinem Vater. Nach der Sache mit Steve rief er mich an, aber ich wollte nicht mit ihm reden. Er sagte dann, er käme sofort vorbei und würde so lange bleiben, bis ich endlich mit ihm spräche. Da bin ich sofort durch die Tür. Ich konnte ihn einfach nicht mehr ertragen …«
Barbara Grads Mund blieb offen stehen, so unglaublich musste ihr erscheinen, was sie gesagt hatte.
Damit war das Gespräch beendet.
Kurze Zeit später setzte Julius sie in Bad Neuenahr ab. Bevor sie die Beifahrertür schloss, blickte sie noch einmal in den Wagen. »Danke. Für alles.«
An diesem Abend saß Julius allein in der »Alten Eiche«. Er verzweifelte. Doppelt. Zum einen musste er eine neue Menükarte gestalten, Gerichten Namen geben, Kombinationen und Reihenfolgen ersinnen. Zum anderen wurde er das Gefühl nicht los, den Mörder längst entlarvt zu haben. Aber so, wie ihm manchmal ein Wort auf der Zunge lag, das nicht hinauswollte, hielt sein Unterbewusstsein, das hinterlistige Ding, den Namen geheim.
Er wollte noch einmal alles aufschreiben, was er über den Fall wusste. Im Hintergrund lief Musik, diesmal keine Klassik. Julius hatte sich für Jazz entschieden, Django Reinhardt zupfte die Saiten, Stéphane Grappelli spielte die Violine. Die Stücke verströmten Heiterkeit, die Julius so dringend brauchte wie ein Neugeborenes die Brust der Mutter. Doch er wurde nicht gestillt. Nicht wirklich.
Er hatte sich Papier und eine feste Unterlage geholt, um die Tischplatte nicht zu beschädigen. Es war das Kochbuch eines Bergisch Gladbacher Kollegen, das als Anreiz immer in der Küche stand. Julius begann zu schreiben …
1945 wurde die Kirche St. Johannes der Täufer in Adenau bei einem Bombenangriff zerstört. Klaus Grad war mit einem Freund zu dieser Zeit dort und nahm die goldene Monstranz an sich, die alle anderen zerstört glaubten. Anstatt sie sofort zu verkaufen, versteckte er sie nach dem Krieg im Regierungsbunker. Grad arbeitete dort als Elektriker, und er wählte einen sicheren, vielleicht den am besten geschützten Platz des Landes. In einem Raum, der nur alle zwei Jahre betreten und zwischendurch nur oberflächlich kontrolliert wurde. In einem Tresor, von dem niemand etwas wusste.
Dort blieb die Monstranz bis vor wenigen Tagen.
Wieso hatte Grad sie nicht schon vorher herausgeholt?
Julius ging die Möglichkeiten durch. Er konnte sich wegen der Tat schuldig gefühlt haben, dafür sprach sein kirchliches Engagement, eine Art Wiedergutmachung. Er wollte nichts mehr mit der Monstranz und dem moralischen Makel, der an ihr haftete, zu tun haben. Eine andere Möglichkeit war, dass sich die Angst über all die Jahre gehalten hatte, nach der Monstranz könnte noch gefahndet werden, und Grad wollte sich keiner Gefahr aussetzen. Wie auch immer, wenn Grad das Geld gebraucht hätte, wäre alles zweitrangig gewesen. Aber er machte Karriere, den Verkauf der Monstranz hatte er – und anscheinend auch sein Kompagnon – nicht nötig.
Warum dann jetzt? Wenigstens diese Frage war einfach zu beantworten. Der Bunker wurde zugemacht. Hätte er sie nicht jetzt geholt, dann nie mehr.
Grad und sein Kompagnon – Julius benannte ihn mit einem klassischen »X« in seinen Notizen – öffnen den Tresor. Danach wird Grad von dem Mittäter ermordet. Dieser geht durch die verschlossene Tür – über diesen Punkt kam Julius immer noch nicht hinweg, und seine Finger weigerten sich lange, es niederzuschreiben –, schließt sich der Gruppe wieder an und befördert Monstranz und Tatwaffe nach draußen. Danach wendet er sich an Inge Bäder, von der er weiß, dass sie mit Antiquitäten handelt. Sie findet in den Niederlanden einen Käufer. Die Bezahlung erfolgt bar – vielleicht erst in Burg Einöllen. Bäder weiß zu viel, Bäder muss sterben. Ihr Schädel wird mit einem Golfschläger zertrümmert. Danach geht der Mörder wieder durch eine verschlossene Tür . Dafür kannte Julius den Trick. Nach Sandra Böcksers Schrei kommt er zum Zimmer der Toten und gibt sich geschockt.
Hier hätte die Geschichte enden können, dachte Julius, aber der Blutrausch sollte weitergehen. Der Mörder vermutet, jemand
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