Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
könne ihn entlarven, und warnt diese Person theatralisch .
Jemand schwebte in Lebensgefahr.
Die beiden wichtigsten Fragen waren: Wer ist der Mörder? Und wer sein nächstes Opfer?
Julius schrieb alle Fakten auf, das Baujahr des Tresors ( 1946 ), den Hersteller ( Leicher ), den halb entschlüsselten Code ( 126515 ), die Infos über das Diebesgut ( seltene Scheibenmonstranz der Gotik, fast neunzig Zentimeter hoch ), die über die Waffe ( Perkussionspistole von Carl Pirko aus Wien, hergestellt erste Hälfte der 1830er Jahre ), auch jene über den Golfschläger ( Holz 3 ).
Er füllte mehrere Blätter.
Julius holte zwölf Flaschen aus dem offenen Ausschank, die nicht leer geworden waren, stellte sie auf den Tisch und spielte Weinlotto. Er griff blind nach einer Bouteille. Die erste Zahl hieß 2000 und war ein »Pago de Carraovejas« aus der spanischen Region Ribera del Duero. Er nahm einen Schluck der Crianza. Schwarze Johannisbeeren kleideten den Mund aus, Bourbonvanille und leichte Rauchnoten.
So kam er nicht weiter! Er musste an etwas anderes als den Mord denken. Er musste sich ablenken, indem er arbeitete, Geld verdiente.
Julius legte die Blätter in einer perfekten Reihe vor sich auf den Tisch, schob sie dann alle nach hinten. Er wollte sie nur im Auge haben. Er würde nun an der neuen Speisekarte arbeiten. Säuberlich schrieb er »Menü« auf ein neues Blatt und unterstrich es. Welche neuen Gerichte hatte er? Julius listete sie auf.
Kaviar mit Apfelgelee
Barbara Grad hatte ehrlich überrascht gewirkt, als sie vom Tod ihres Vaters erfahren hatte. Susanne Sonners angebliche Affäre mit Klaus Grad war nun aufgeklärt, ebenso warum sie nicht erzählen wollte, was es mit den gemeinsamen Ausflügen auf sich hatte. Scham. Zum Schutz für sich und für das Ansehen ihres ermordeten Leidensgenossen.
Kaninchenschulter mit kleinen Tintenfischen
Er griff nach der nächsten Flasche im Weinlotto. Gewinnzahl war die 2001. Eine halbtrockene Spätlese vom Mittelrhein. Ein Bacharacher Ökowinzer, der wusste, was er tat. Fein gereift. Der Schiefer schliff über seine Zunge.
Jochen Hessland, Rolf Fürchtegott Sonner (diesen Namen unterstrich er), Susanne Sonner, Volker Isidor Vollrad, Sandra Böckser, Steve Reifferscheidt.
Einer davon.
Gründe ließen sich für jeden finden, außer vielleicht für Susanne Sonner.
Kalte Knoblauchsuppe
Julius schrieb römische und arabische Zahlen über die Gänge, um zu sehen, was besser aussah. Dann griff er wieder zum Weinlotto. Die Glücksfee zog die 1990. Es ploppte. Ein Roederer Champagner. Feine Säure, nobles Mousseaux – der König der Schaumweine erfrischte Julius’ Mund.
Umarmung der Hülsenfrüchte
FX hatte ihm geraten, es mal mit einem poetischen Namen zu versuchen. Davon hielt Julius eigentlich nichts, aber er hatte sich überreden lassen, einen Testballon zu starten. Das Gericht würde Teil des vegetarischen Menüs sein, das er erstmals anbieten wollte, und ersetzte die klassischen Gänseleber-Variationen. Auf dem Teller fanden sich eine Erbsenpraline im Schwarzbrotmantel, ein Bohnenschaumsüppchen, ein winziges Stück geschichtetes Linsentörtchen, Crème Brulée von Sojabohnen und herzhaftes Erdnuss-Eis.
So ging es nicht.
So ging es nicht!
Julius klinkte aus. Er hatte den Deckel zu lange auf den dampfenden Topf gedrückt. Er fegte mit den Händen über den Tisch, als gelte es, eine darunter liegende Leiche freizulegen. Die Blätter wirbelten einem Schneesturm gleich durch das warme Restaurant, wie Flocken auf den sauberen Boden sinkend.
Julius sank zu ihnen.
Hob ein Blatt nach dem anderen wieder auf.
Sortierte sie.
Hielt sie in Händen.
Warf sie fort. Den Schneesturm von neuem losstoßend. Mist! Mist! Mist!
Die Blätter sortierten sich neu, vieles wurde verdeckt, lag übereinander, eine Seite gar auf dem Kopf, andere hatten einen weiten Weg zurückgelegt, außerhalb von Julius’ Reichweite.
Zwei lagen direkt vor ihm.
Julius sah sie sich an.
Sah sie sich lange an.
Hob sie auf. Blickte von einem Blatt zum anderen.
Und begann zu lachen.
Über sich selbst, über den Mörder und über eine ungewöhnliche Idee.
Wie hatte er es übersehen können? Viel deutlicher ging es eigentlich nicht.
Er hatte ihn!
Es gab keinen Zweifel. Alles passte zusammen. Endlich machte es Sinn! Gott, war das schön, wenn die Ungewissheit schwand. Das heißt, eine Frage blieb offen: Wer war gewarnt worden?
Julius warf die Blätter noch einmal in die Höhe, blähte die Wangen wie
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