Julius Lawhead 2 - Flammenmond
seiner eigenen Schande roch. Dann erschienen Darren und sein Diener Benjamin. Er folgte ihnen in einen Raum, vollgestopft mit glasäugigen Gespenstern. Dort kettete ihn Benjamin an und er tat es auch mit Darren, seinem eigenen Vampir, dann ließ er sie allein.
Brandon rollte sich zusammen und schloss die Augen. Er wollte nur noch warten, warten und schlafen, bis der Tod ihn erlöste.
Da ertönten Stimmen aus dem Nebenraum.
Judith, die zornig ihren Meister beschimpfte, wegen dem, was er mit Brandon getan hatte, und dem, was er mit ihr nicht tat.
Sie stampfte mit ihren kleinen Füßen auf, und dann sagte Coe leise, freundliche Dinge zu ihr, bis sie schwieg.
»Ich habe eine Überraschung für dich«, verkündete er.
»Eine Überraschung? Wo? Was?« Judith schien sich schnell besänftigen zu lassen.
»Er kommt heute Abend her.«
»Wer?« Ihrer Stimme nach schien sie die Aussicht auf einen weiteren Vampir alles andere als zu begrüßen. »Kein Indianer, oder?«
»Nein. Ein netter junger Mann. Er könnte unser Sohn sein.«
Judith jauchzte und flüsterte etwas.
»Natürlich«, erwiderte Coe, »Ich will es mir doch nicht auf Dauer mit meiner geliebten Ehefrau verderben.«
»Vielleicht geben wir ihm einen neuen Namen«, sagte sie lachend. »Steven, das klingt doch nicht schön.«
Wir fuhren über eine Kuppe, und dann öffnete sich die Landschaft mit einem Mal. Eine schier endlose Ebene breitete sich vor uns aus. Das Land war flach wie ein Tisch, hier und da ragten kleine Tafelberge auf, als hätte sie jemand dort abgelegt und vergessen. Irgendwo dort lag der Ort Page und direkt dahinter der riesige künstliche Stausee Lake Powell. Drei Schornsteine des Navajo Power Plant, eines gewaltigen Kohlekraftwerks, blinkten warnend in die Dunkelheit.
Im Auto war es still geworden. Nur die unpersönliche Computerstimme des Navi meldete sich hin und wieder zu Wort.
Wir passierten das Ortseingangsschild, folgten der Straße vorbei an großen Einkaufzentren, bis sie einen Knick nach links machte und wir die gewaltige Staumauer des Glen Canyon Dam überquerten. Schilder dirigierten zu dem Naherholungsgebiet am See und verwiesen auf Campingplätze und Trailerparks.
Die blecherne Computerstimme lenkte uns weiter einen Berg hinauf und dann rechts ab auf einen kleinen Pfad zurück zum See. Ich sah in den Rückspiegel.
Steven starrte aus dem Fenster, wie eigentlich schon die ganze Fahrt über. Jetzt klammerte sich sein Blick an die Schönheit der großen Wasserfläche, in der sich der Sternenhimmel spiegelte. Ich konnte nur ahnen, was in ihm vorging.
Dass er so klaglos sein Schicksal akzeptierte, ließ in mir große Achtung wachsen. Der kindliche Steven war stärker, als ich dachte, womöglich stärker, als ich es an seiner Stelle gewesen wäre.
Der Schotterweg machte eine scharfe Kurve. Ich drosselte das Tempo und steuerte vorsichtiger. Zerklüftete Felsen ragten neben uns auf, zur Rechten fiel der Hang steil ab. Die Straße war gerade breit genug für ein Fahrzeug. Als ich zu zweifeln begann, ob wir überhaupt richtig waren, schälte sich plötzlich eine weiße Mauer aus der Dunkelheit. In der Mitte wölbte sie sich zu einem Bogen, in dem ein schmiedeeisernes Tor eingelassen war.
Steven schluckte laut.
Amber sah mich an. »Nicht, Julius, bitte.«
Ich verlangsamte die Fahrt, schüttelte aber den Kopf. Kein Zurück. Vor allem nicht, da ich um Coes baldige Vernichtung wusste.
»Wir finden einen anderen Weg. Wenn wir jetzt umdrehen, ist alles vergeben und vergessen, Julius, bitte«, flehte Amber noch einmal.
»Du könntest nie vergessen, Amber.«
An der Einfahrt wurden wir von einem Wachmann empfangen. Er öffnete das Tor und winkte uns durch.
Hinter den Mauern erwartete uns ein grünes Paradies. Der Stausee bot genug Wasser, um große Rasenflächen, Palmen und riesige Blumenbeete zu bewässern. Aus all dem Grün erhob sich ein herrschaftliches Anwesen, weiß getüncht und zweigeschossig. Über der Eingangstür prangte ein gemaltes Wappen. Zwei verschlungene Buchstaben, Coes Zeichen, das er auch Brandon eingebrannt hatte. Willkommen im Alptraum.
Ein weiter kreisrunder Hof mit einem Brunnen in der Mitte nahm den Platz vor der Villa ein. Ich parkte direkt vor den breiten Stufen, die zum Portal hinaufführten.
Ein Paar wartete bereits auf uns. Coe und Judith.
Erst jetzt fiel mir ein, dass Coe wahrscheinlich nichts von Ambers Rettung wusste, aber er würde keine Zeit mehr haben, seinen Zorn darüber an Brandon
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