Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
abbröckelnder Putz, eine längst nicht mehr benutzte, verrostete Wäschestange. Eine alte, fette Katze mit einem herabhängenden Ohr bewegte sich träge auf einer rußgeschwärzten Backsteinmauer und warf einen gelangweilten Blick auf Julia Durant, die durch die weitgeöffnete Eingangstür das finstere Treppenhaus betrat. Sie drückte den alten Lichtschalter, schwaches Licht. Die ausgetretenen Holzstufen ächzten bei jedem Schritt, modriger Geruch hatte sich in dem alten, muffig riechenden Gemäuer mit den teils halbblinden Fenstern festgesetzt. Im dritten Stock das winzige Namensschild an einer halb mit Butzenscheiben verglasten Doppeltür, die lange nicht gestrichen worden war. Von drinnen der Krach eines zu weit aufgedrehten Fernsehapparates.
Die Klingel schepperte blechern im Wohnungsflur. Näherkommende Schritte, die Tür wurde einen Spalt geöffnet. Ein Mädchen mit braunen, gelockten Haaren steckte den Kopf heraus. Sie trug ein knöchellanges Nachthemd und einen dicken Schal um den Hals, war kaum größer als einsfünfzig, sehr zierlich, noch fehlten die fraulichen Rundungen. Sie war blaß, mit tiefen Ringen unter den braunen Augen.
»Ich hab doch gesagt, du sollst in deinem Bett bleiben!« brüllte eine tiefe Stimme. Der Blick des Mädchens wurde ängstlich, sie wich sofort zurück. »Hallo«, sagte Julia Durant freundlich, »könnte ich bitte deine Eltern sprechen?« Die Tür wurde weit aufgerissen, ein Koloß in einer ausgeleierten blauen Trainingshose, Rippenunterhemd und ausgelatschten Pantoffeln musterte die Kommissarin mißtrauisch.
»Was wollen Sie?« fragte der große, beleibte Mann mit den mächtigen Oberarmen rüde. »Herr Rückert?« »Ja, und?«
»Mein Name ist Durant«, sagte sie und hielt ihm ihren Polizeiausweis vors Gesicht, »ich komme von der Kripo Frankfurt und möchte Ihnen ein paar Fragen stellen. Aber wenn es geht, nicht zwischen Tür und Angel, es sei denn, Sie wollen, daß die Nachbarn mithören.« »Wir haben nichts ausgefressen!«
»Das habe ich auch nicht behauptet. Aber können wir uns jetzt ungestört unterhalten?« Rückert machte unwillig die Tür frei, das Mädchen verschwand eilig in einem Zimmer, schloß leise die Tür hinter sich, die Kommissarin folgte Rückert in das kleine, mit drei abgewetzten Sesseln, einem unansehnlichen Sofa und einem klobigen Schrank vollgestopfte Wohnzimmer. Ein mongoloider Junge, vielleicht zehn oder elf Jahre alt, hockte im Schneidersitz auf dem Sofa und grinste Julia Durant breit an. Sie blieb stehen. Der Mann ließ sich in einen der Sessel fallen, ohne ihr einen Platz anzubieten. Der Teppichboden war verblaßt und voller Krümel, die ehemals weißen Gardinen vergilbt. »Ist auch Ihre Frau zu sprechen?«
»Martha!« brüllte er. »Komm her, hier will jemand was von dir!«
Eine etwa vierzigjährige Frau mit strähnigem, von grauen Silberfäden durchzogenem Haar kam herein. Ihr Gesicht war noch glatt und faltenlos, doch ihre Augen hatten jenen Ausdruck, der von viel Kummer herrührt. Sie wischte ihre nassen, rissigen Hände an der geblümten Schürze ab, eine schwarze Katze schlich hinter ihr ins Zimmer und sprang zu dem Jungen auf die Couch, der ihr mit einer Hand durchs Fell strich. Die Frau blieb etwa zwei Meter von Julia Durant entfernt stehen, deutete stumm auf einen Sessel. Die Kommissarin setzte sich, legte die Handtasche auf ihre Schenkel. »Ich würde mich gerne mit Ihnen allein unterhalten«, sagte sie. »Wenn Sie bitte Ihren Sohn für einen Moment...«
»Verschwinde und mach die Tür zu!« blaffte der Mann den Jungen an, der aufsprang, ein paar undefinierbare Laute von sich gab und sich wortlos entfernte. Die Katze putzte sich ausgiebig.
»War das eben an der Tür Ihre Tochter Vera?« fragte Julia Durant. Die Haltung des Mannes straffte sich, er kniff die Augen zusammen.
»Warum? Hat sie was ausgefressen?«
»Beantworten Sie nur meine Frage.«
»Ja, das war Vera«, brummte er.
»Wie alt ist sie?«
»Dreizehn, warum?«
Sie sah, wie sich Schweiß auf Rückerts Stirn gebildet hatte, sie meinte auch den Grund dafür zu kennen. »Sagt Ihnen der Name Alexander Menzel etwas?« Sie hatte nicht vor, lange um den heißen Brei herumzureden. Der Mann sprang auf und baute sich vor ihr auf; mit hochrotem Gesicht blaffte er: »Was wollen Sie von uns?« »Kennen Sie Herrn Menzel oder nicht?« fragte sie ungerührt ein zweites Mal. »Und bitte, setzen Sie sich wieder, ich schaue nicht gerne auf!« Der Mann schnaufte schwer und kaute auf der Unterlippe.

Weitere Kostenlose Bücher