Jung, blond, tot: Roman
Arschlöcher?!« schrie Delgado, sofort wurden die Türen zugeworfen. Delgado öffnete die Tür, trat als erster ein. Er betätigte den Lichtschalter. Die Wohnung war, bis auf Kleinigkeiten, aufgeräumt, die Möbel noch recht neu, eine teure Stereoanlage stand neben dem Großbildfernseher, teurer, tiefer Teppichboden, dazu passende Tapeten, nur die Luft war abgestanden. Delgado ging zur Balkontür und riß sie weit auf. »Sie hätte wenigstens lüften können!« schimpfte er. »Bitte setzen Sie sich«, sagte die Kommissarin und ließ ihren Blick von der Frau zum Mann schweifen. Der Mann war zornig, die Frau eher abwartend und ängstlich. Ob sie etwas ahnen? fragte sich Julia Durant. Delgado setzte sich neben seine Frau. »Herr Delgado, Frau Delgado, es tut uns leid, aber wir müssen Ihnen leider mitteilen, daß Ihre Tochter einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist.« Lähmende Stille. Die Frau krampfte ihre Finger in das Kissen auf ihren Knien, riesige Augen, die sich sofort mit Tränen füllten, starrten die Kommissarin an. »Bitte?« kam es tonlos über ihre blassen, schmalen Lippen, aus ihrem Gesicht wich schlagartig alle Farbe. Delgado starrte Durant und Schulz nur ungläubig an. »Meine kleine Antonia? Tot?« fragte Delgado fassungslos. Eben noch hatte er sie als Schlampe tituliert, jetzt stand er 161 da, die Arme flehend nach oben gereckt, schrie theatralisch: »O Madonna, nicht Antonia, nicht sie!!« »Wir wünschten auch, wir müßten jetzt nicht hiersein und Ihnen das sagen.«
»Sie ist doch gerade erst vierzehn geworden!« schluchzte die Frau.
»Bitte, was?« fragte Julia Durant, als zweifelte sie an dem Gehörten. »Vierzehn? Ahm, entschuldigen Sie, Frau Delgado, aber Ihre Tochter sah nicht wie vierzehn aus.« »Ist das jetzt vielleicht wichtig?« fragte sie mit leerem Blick. »Antonia ist tot, mein Gott, wie konnte das geschehen? Wie ist sie gestorben? Hat sie lange leiden müssen?« »Nein, ich glaube nicht«, log die Kommissarin. »Behalten Sie sie einfach nur in guter Erinnerung. Und verzichten Sie darauf, sie sehen zu wollen.« »Und wer? Ich meine, wer hat sie umgebracht?« »Derselbe Mann wahrscheinlich, der in den letzten Wochen schon mehrere Mädchen getötet hat.« »Hat er sie auch vergewaltigt?«
»Ja.« Julia Durant sah von Frau zu Herrn Delgado. »Sollen wir einen Arzt rufen?« Delgado reagierte nicht auf die Frage-Seine Frau sagte: »Ich habe immer gewußt, daß ihr mal so was passieren würde. Aber sie hat nie auf mich gehört. Sie hat immer nur gemacht, was sie wollte. Wir hatten sie so gebeten, mit zu meinen Eltern zu kommen. Warum ist sie bloß nicht mitgefahren? Mein Gott, mein Gott, mein Gott! Warum?!« »Wann ist es passiert?« fragte Delgado. »Zwischen halb zehn und halb elf.« »Und wo?« »Hier im Haus, im Keller. Sollen wir wirklich keinen Arzt rufen? Er würde Ihnen eine Beruhigungsspritze geben.« »Nein, wir brauchen keine Spritze. Sie bringt uns Antonia auch nicht mehr zurück. Wenn Sie jetzt bitte gehen«, sagte Frau Delgado, »wir wollen jetzt alleine sein.« Durant und Schulz verließen die Wohnung der Delgados gegen halb drei. Sie nahmen diesmal die Treppe. Ein Kothaufen, in den Schulz beinahe getreten wäre, eine ausgeleerte Mülltüte, eine leere Spritze, vermutlich Heroin. Das Licht funktionierte nur im sechsten und dritten Stockwerk, an fast allen Türen waren die Scheiben eingeschlagen, im ganzen Haus der ekelhafte Geruch nach Essen, Gewürzen, Kot, Urin. Laute Stimmen, noch lautere Musik. Nächtliche Ruhestörung, die offensichtlich niemanden kümmerte. Das Gesetz des Stärkeren.
»Mein Gott, wenn ich mir vorstelle, hier wohnen zu müssen«, sagte Julia Durant, als sie wieder im Freien waren, und atmete tief durch.
»Die Zeiten sind leider nicht mehr so, daß man sich einfach aussuchen könnte, welche Wohnung man haben möchte. Ich möchte nicht wissen, wie viele wirklich anständige Menschen hier leben. Sehen Sie sich die Delgados doch an - eine ordentliche Familie«, sagte Schulz. »Und trotzdem hat irgendwas mit ihrer Tochter nicht gestimmt.« »Was wollen Sie damit sagen?«
»Ich weiß es nicht, einfach ein Gefühl. Die Kleine war gerade vierzehn! Vierzehn und läuft in hochhackigen Stiefeln rum, Minislip, schwarzer BH, das Gesicht grell geschminkt - wie eine Hure! Mein Gott, die war nicht vierzehn, höchstens der Geburtsurkunde nach. Die war achtzehn oder zwanzig oder hundert.« Julia Durant machte eine kurze Pause, legte die Hand an den Türgriff und
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