Jung, blond, tot: Roman
warum ich immer mehr glaube, daß mit ihm etwas nicht stimmt.« Sie hielt inne, sie wirkte unendlich traurig. »Ich mache mir große Sorgen um Daniel. Seine Alpträume, Sie wissen schon, kehren Nacht für Nacht wieder. Immer wacht er dann schreiend auf, immer ist er schweißüberströmt. Wenn ich ihn jedoch beruhigen will, weist er mich zurück wie ein lästiges Tier. Gestern habe ich sogar den waghalsigen Versuch unternommen, mit ihm zu schlafen, ich wollte es wirklich, was sage ich, ich brauche es. Er reagierte nicht einmal darauf. Er gibt mir immer öfter das Gefühl, als wäre ich eine Fremde oder zumindest komme ich mir selbst wie ein Fremdkörper in diesem Haus vor. Mein Gott, ich habe das Gefühl, als wäre ich Luft für ihn! Wenn ich vor ein paar Tagen noch sagte, ich vermute, daß er eine Freundin hat, so glaube ich es nicht mehr. Was immer diese Veränderung bei ihm hervorrief, was immer ihn dazu bringt, sich von mir abzuwenden, ich habe keine Erklärung dafür. Daniel ist mir einfach ein Rätsel. Kann es sein, daß er mir, seit wir verheiratet sind, etwas vorgespielt hat? Daß ich den wahren Daniel Tomlin nicht kenne? Früher haben wir so viel gemeinsam unternommen. Jetzt stehe ich morgens auf, und er ist nicht mehr da, und immer öfter kommt er nachts heim, wenn ich längst schlafe. Ich glaube, seine Alpträume haben etwas mit mir zu tun. Womit sonst, frage ich Sie? Kürzlich habe ich in der Garage etwas gesucht und dabei eine alte Regentonne aufgemacht und darin total verschmutzte Kleidung gefunden, darunter eine Hose und eine Jacke, die ich ihm erst letztes Weihnachten geschenkt hatte. Auch das macht für mich keinen Sinn. Als wenn er sich auf Äckern rumtreibt oder alte Maschinen repariert! Wenn er nur mit mir darüber sprechen würde! Verdammt, warum spricht er nicht mit mir?!« Sie streckte sich, sah Patanec hilfesuchend an. »Bitte, helfen Sie mir! Wenn Sie mir helfen, dann helfen Sie auch ihm. Denn wenn es noch lange so weitergeht, werde ich mich von ihm trennen müssen. Glauben Sie mir, auch meiner Kraft sind Grenzen gesetzt.« Sie betrachtete ihre langen, schlanken Finger, die burgunderrot lackierten Nägel, schlenkerte ein wenig mit den Beinen. »Seit ich Ihnen meine Jugendgeschichte erzählt habe, wird mir immer klarer, daß ich anfangen muß, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ich kann auf Daniel nicht länger zählen, es sei denn, es tritt eine Änderung zum Positiven bei ihm ein. Doch ehrlich gesagt habe ich die Hoffnung darauf aufgegeben. Er ist einfach mit seinen Gedanken woanders, und er ist ein Eisblock geworden.«
Sie seufzte resignierend, veränderte ihre Haltung ein klein wenig. »Daniel und ich sind für Sonntag nachmittag bei einer alten Freundin eingeladen. Ich mochte sie immer lieber als meine eigene Mutter, die Gründe dafür können Sie sich bestimmt denken. Daniel hat sich gesträubt, es hat mich viel Mühe gekostet, ihn zu überreden, sich einmal wenigstens zwei Stunden für mich Zeit zu nehmen, schließlich habe ich Maria seit mehr als zwei Jahren nicht gesehen, obgleich sie gerade mal in Sossenheim wohnt. Es kann also sein, daß aus Ihrem Tennis nichts wird.« »Das wäre nun wirklich nicht weiter schlimm«, sagte Patanec. »Wichtig ist, daß Sie einen schönen Tag verbringen. Wie ist er mit den Kindern?«
»Wieder etwas besser. Aber er ist ja fast nie zu Hause. Er macht den Kindern Geschenke, mit Laura war er am Mittwoch im Kino. Wenn er Zeit hat, läßt er sich auch mal dazu herab, eine Gutenachtgeschichte vorzulesen. Aber das ist die Ausnahme. In der Regel haben die Kinder nicht viel von ihrem Vater. Sein verdammter Beruf frißt ihn auf. Er hat mir meinen Mann geraubt. Und was bleibt? Ich werde allein sein, für die Erziehung der Kinder zuständig sein, wobei Laura sich von mir schon kaum noch was sagen läßt, und manchmal habe ich panische Angst, sie könnte diesem wahnsinnigen Killer in die Fänge geraten. Sie ist fünfzehn, sie ist blond, und sie hat lange Haare. Ich weiß, was für ein perverses Schwein dieser Mensch ist, aber andererseits scheint es pervers zu sein, wenn man denkt, man müßte vielleicht auch Mitleid mit einem solchen Menschen haben. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß jemand grundlos solche schrecklichen Dinge tut. Habe ich recht?«
Patanec zuckte mit den Schultern. »Sicher wird derjenige krank sein. Doch es wird sehr schwer werden, jemals die wahren Hintergründe aufzudecken, warum er auf so grausame Weise mordet. Aber machen Sie
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