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Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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sich nicht allzu viele Sorgen um Laura, machen Sie ihr nur klar, daß sie abends nicht mehr allein auf die Straße gehen darf. Und auch im Haus sollte sie nicht allein bleiben.« »Ich will Ihnen nicht länger Ihre kostbare Zeit rauben«, sagte sie, stand auf, strich kurz mit einer Hand über ihre Bluse. Hängte ihre Tasche über die rechte Schulter. »Näch ste Woche komme ich wieder zum verabredeten Termin. Es tut mir leid, wenn ich Ihnen Unannehmlichkeiten bereite, ich denke, es wird bald aufhören. Zumindest in meinen Gedanken nimmt meine Zukunft immer konkretere Formen an. Ich werde nicht darum herumkommen, einen Schnitt zu machen. Ohne Sie hätte ich vielleicht den Mut nie gefunden...«
»Ich habe nichts dazu beigetragen«, sagte Patanec lächelnd. »Sie haben erzählt und dabei erkannt, was wichtig und wesentlich ist. Sie werden es schaffen.« Er reichte ihr die Hand. Sie lächelte etwas verschämt, ein kleines Mädchen, das er in den Arm hätte nehmen mögen. Als sie ging, war es kurz vor zwei. Patanec hatte auf sein Mittagessen verzichtet. Er zog sein Sakko wieder aus, hängte es in den Schrank. Schenkte sich einen Martini on the Rocks ein, trank, sah aus dem Fenster. Vom Wind getriebene Wolken, nahender Regen, Blätter, die durch die Luft wirbelten. Trank aus, rauchte eine Davidoff, trank noch einen Martini. Wusch sich die Hände, bürstete sein Haar, ein Blick durchs Zimmer. Er spürte die Wärme des Alkohols in sich aufsteigen, er hätte doch etwas essen sollen. Er kannte seine Grenzen, vor dem Abend würde er nichts mehr trinken.
Eine Endvierzigerin, gekleidet in teuren Stoff, wartete bereits, die Hände gefaltet, Patanec traurig ansehend. Sie kam das dritte Mal, hatte zwei Selbstmordversuche hinter sich. Er kannte ihre Geschichte bereits, vergewaltigt als Kind, vergewaltigt und verprügelt in der Ehe, sitzen gelassen wegen einer Jüngeren. Drei Kinder, Reichtum. Patanec sah auch hier nur eine Möglichkeit: Hypnose. Es würde eine lange und schwierige und vielleicht sehr harte Behandlung werden. Er bat sie in sein Zimmer. 200

Freitag, 15.00 Uhr
    Julia Durant verabschiedete sich aus dem Präsidium und meldete sich ohne Vorwarnung bis Montag früh ab. »Was haben Sie vor?« fragte Berger überrascht. »Ich werde meinen Vater besuchen. Wir haben uns lange nicht gesehen.«
»Lassen Sie mir wenigstens Ihre Telefonnummer hier, Sie müssen immer erreichbar sein.«
»Bitte«, sagte sie und schrieb die Nummer auf einen Zettel.
»Was ist das denn für eine Nummer?« fragte Berger gereizt.
»Gleich bei München...«
»Sie können jetzt nicht fahren...«
Durant blieb stur. »Ich kann und ich muß. Sie sind da, Kullmer, Koslowski, Schulz vielleicht auch und ein paar andere Kollegen stehen Ihnen sicher gern hilfreich zur Seite, sollte etwas Gravierendes geschehen.« »Das macht keinen guten Eindruck, wenn...« »Ich pfeife auf einen guten Eindruck. Ich habe mir die vergangenen Tage die Füße wund gelaufen und den Mund fusselig geredet, und ich habe jetzt einfach vor, ein einigermaßen ruhiges Wochenende zu verbringen. Wollen Sie mich daran hindern?« Berger schüttelte resignierend ob so viel Sturheit den Kopf. »In Gottes Namen, fahren Sie, aber seien Sie pünktlich am Montag morgen hier. Ich hoffe nicht, daß Sie gebraucht werden!«
Als sie die Tür hinter sich zugezogen hatte, hörte sie Berger ihr nachrufen: »Und fahren Sie verdammt noch mal vorsichtig!«
Julia Durant mußte grinsen. Berger war gar nicht so übel, wie oftmals behauptet wurde. Und es stimmte schon, eigentlich hätte sie sich im Augenblick nicht leisten können, nach München zu fahren.
Sie kam zügig voran, obwohl Freitag nachmittag war. Die Autobahn war erstaunlich leer. Als sie gegen zwanzig Uhr vor dem Haus ihres Vaters den Motor abstellte und Lichtschein hinter den zugezogenen Vorhängen sah, war sie erleichtert. Sie hatte sich nicht angemeldet, und es hätte immerhin sein können, daß er weggefahren war, er fuhr oft allein weg, jetzt wo seine Frau nicht mehr lebte und er auch sonst kaum jemanden hatte, mit dem er seine Tage und vor allem einsamen Abende verbrachte. Er reiste dann in irgendeine Stadt in irgendein Hotel, buchte plötzlich einen Flug in irgendein Land dieser Erde, er konnte es sich leisten, hatte genug Geld auf die hohe Kante gelegt. Sie drehte sich kurz um, sah etwas versetzt auf der anderen Straßenseite die Kirche, die Wirkungsstätte ihres Vaters über Jahrzehnte hinweg. Unter den meist erzkatholischen Orten in der Gegend

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