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Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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eingeladen waren. Wir sind hingefahren, auch wenn Daniel es nur äußerst widerwillig tat. Nichts, was mir etwas bedeutet, bedeutet ihm etwas, ich glaube, ich war ihm immer gleichgültig. Jedenfalls, als wir bei meiner Freundin waren, hat Daniel in Gedanken versunken ein Glas in seiner Hand zerbrochen. Er schien so fasziniert von Janina, das ist die Tochter des Hauses, daß ihm dieses Mißgeschick unterlief. Sie ist aber auch ein besonderes Mädchen, eine Mischung aus Claudia Schiffer und Brigitte Bardot.« Sie drückte ihre Zigarette im Ascher aus, lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und warf den Kopf zurück.
»Hätten Sie vielleicht etwas zu trinken für mich? Einen Whisky oder Cognac?« »Seit wann trinken Sie?« fragte Patanec ruhig. »Seit ich die tiefgreifende Erkenntnis gewonnen habe, daß ich auch nur ein Mensch bin. Und weil ich ein Angsthase bin. Wenn Sie's genau wissen wollen, ich habe mich vorgestern nacht das erste Mal richtig besoffen. Eine ganze Flasche Wein und eine halbe Flasche Cognac. Und danach habe ich mir die Seele aus dem Leib gekotzt und mich ge stern morgen hundsmiserabel gefühlt. Aber heute fühle ich mich saugut.« Patanec mußte insgeheim über ihre Ausdrucksweise grinsen, ließ sich das aber nicht anmerken, erhob sich, schenkte ihr Cognac ein. Sie nahm das Glas, nippte daran, benetzte ihre Lippen mit der bronzeglänzenden Flüssigkeit, dann kippte sie den Inhalt in sich hinein, als wäre sie seit ewigen Zeiten daran gewöhnt.
»Alkohol ist kein Heilmittel«, sagte Patanec mahnend und füllte zögernd nach, als sie ihm das Glas hinhielt. »Ich weiß, ich will aber verdammt noch mal nicht länger das liebe, nette Weibchen sein! Dieser verdammte Bastard...« Sie hielt inne, sah Patanec entschuldigend an, zuckte mit den Schultern und fuhr fort: »Na ja, er soll auf jeden Fall endlich merken, daß es mich auch noch gibt!«
Sie stellte das Glas auf den Tisch, fing aus heiterem Himmel an zu weinen. Patanec hatte sie noch nie weinen sehen. Sie, die kühle, unterkühlte Person in Seide, sie, die so lange Zeit jede Gefühlsregung so perfekt hatte unterdrücken können, sie weinte, daß ihr ganzer Körper bebte. Patanec, der jahrelang darauf gewartet hatte, sie einmal richtig in den Arm nehmen zu dürfen und jetzt die Gelegenheit dazu gehabt hätte, blieb in seinem Sessel sitzen, die Hände wie zum Gebet aneinandergelegt, betrachtete sie, wie sie sich über das Gesicht wischte, wie ihre Schultern zuckten, ihr Inneres vor Verzweiflung durchgeschüttelt wurde, und anstatt zu ihr zu gehen, sie zu trösten, wartete er, bis sie sich von allein beruhigte. Mit einemmal war sie wieder das sanfte, liebe Reh, das ihn mit rotgeweinten Augen anblickte. Sie nahm mit einer grazilen Bewegung ein Taschentuch aus ihrer schwarzen Tasche (Patanec kannte keine andere Frau, die selbst die einfachsten Be wegungen derart anmutig vollzog), putzte sich dezent die Nase, wischte mit zartem Strich über die Augenlider. »Es tut mir leid, ich habe mich gehenlassen. Ich wollte das nicht.«
»Es braucht Ihnen nicht leid zu tun, hier bei mir dürfen Sie alles.«
Ihre Haltung streckte sich, ihr Blick ging an Patanec vorbei an die Wand. »Meine Schwiegermutter ist heute morgen angekommen. Daniel war auf einmal wie ausgewechselt. Lieb, nett, fürsorglich, dieser verdammte Heuchler! Sie ist eine komische Frau, die ihr Aussehen offenbar ständig verändert. Mal hat sie ihr Haar blond gefärbt, mal braun, mal rot, die Fingernägel sind immer grell lackiert, und erst die Schminke! Na ja, jedem das Seine. Sie benimmt sich etwas seltsam, ich würde sagen kindisch. Sie tut manchmal, als wäre sie gerade sechzehn oder siebzehn. Sie hat den Kindern große Geschenke gemacht. Daniel war völlig aus dem Häuschen, als sie kam, ich kann kaum beschreiben, wie überschwenglich sich die beiden begrüßten. Ich weiß nicht, was ich von alldem halten soll.« Sie machte eine Pause, runzelte die Stirn, kniff die Lippen aufeinander, sah zu Boden. Sie sagte, wie aus weiter Ferne, als wäre sie in Trance, sehr leise, sehr bedacht, sehr gefaßt: »Am Sonntag, als wir wieder zu Hause waren, hat Daniel sich umgezogen und ist verschwunden, ohne mir auch nur einen Ton zu sagen. Er kam erst wieder, als ich über dem Klo hing. Er hat mich doch tatsächlich gefragt, was ich da machte - glauben Sie mir, am liebsten hätte ich ihm dafür eine geknallt! Ich möchte mein Leben so gerne selbst in die Hand nehmen, wenn ich nur wüßte, wie!« Sie hielt

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