Jung, blond, tot: Roman
Wohnzimmer, ein Buch in der Hand. Sie stand auf, legte das Buch zur Seite, reichte Julia Durant die Hand.
»Wir haben uns schon einmal gesehen«, sagte die Kommissarin, worauf Susanne Tomlin ihr einen fragenden Blick zuwarf.
»Ja, ja, ich weiß, Sie können sich an mich sicher nicht erinnern, aber es war vor etwas über einer Woche, auf der Party von Herrn Menzel. Ich habe mich sehr lange mit Ihrem Mann unterhalten, ich werde mich demnächst un ter sein Messer... aber lassen wir das. Sie wollten mich sprechen?«
Susanne Tomlin schien für einen Moment überrascht, Julia Durant glaubte, die Gedanken hinter ihrer Stirn lesen zu können. Sie, bei meinem Mann? Können Sie als kleine Polizistin sich so was überhaupt leisten? Doch Susanne Tomlin sagte: »Nun, eigentlich war es weniger meine Idee als die Idee meiner Schwiegermutter, die zur Zeit zu Besuch hier ist. Ich habe ihr von Janina berichtet...« »Janina? Etwa Janina Lohnert?« fragte die Kommissarin überrascht. »Ja, genau die...«
»Sie kennen Janina Lohnert?« Sie war nervös, ungeduldig, ließ Susanne Tomlin nicht aussprechen.
»Seit ihrer Geburt. Ihre Mutter ist eine gute Freundin.«
»Wann haben Sie Janina zuletzt gesehen?«
»Am Sonntag nachmittag. Warum fragen Sie? Sie denken doch nicht etwa, daß...« »Nein, um Himmels willen, nein!« wehrte Julia Durant ab. »Erzählen Sie mir mehr. Zum Beispiel«, sie zögerte einen Moment, fuhr dann fort, »kannten Sie auch eines von den andern getöteten Mädchen?«
»Nun, ich kannte Janina, Annette Schubert, Maureen Nettleton und auch Carola Preusse...« »Carola Preusse? Woher?«
»Aus unserer Gemeinde«, sagte Susanne Tomlin und trank ihr Glas leer, schenkte sich erneut ein, bot auch der Kommissarin ein Glas Hennessy an. Diese nahm dankend an, sie konnte jetzt einen Cognac gebrauchen. Susanne bat sie, doch Platz zu nehmen. »Sie müssen wissen, mein Mann und ich gehören seit mehr als zehn Jahren dieser Kirche an, auch wenn wir uns schon seit längerer Zeit nicht mehr dort haben blicken lassen. Er hat zu viel Arbeit, und ich, nun, ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, aber mir fehlt der rechte Draht zur Religion.«
»Kannten Sie Carola näher?«
»Sie war sehr verschlossen, sie hat eigentlich niemandem Zugang zu sich gestattet. Aber darin ist sie nicht die einzige. Leider.« »Und Maureen?«
»Ich habe sie bei Menzel kennengelernt. Nur flüchtig, sie könnte ja meine Tochter sein. Obgleich sie einen sehr erwachsenen Eindruck machte. Genau wie Annette. Maureen kam öfters, um die Kinder zu hüten. Aber das letzte Mal liegt jetzt auch schon zwei oder drei Jahre zurück.«
»Was ist mit Sabine Lindner?«
Susanne Tomlin zuckte die Achseln. »Kann sein, ich weiß es nicht. Wenn ich ein Foto von ihr sehen könnte.« »Und Antonia Delgado?« »Auch von ihr müßte ich ein Foto sehen.« »Waren Sie regelmäßig bei Menzel?« »Fast immer, wenn er eines seiner Feste gab. Etwa alle zwei Monate würde ich sagen.« »Können Sie mir etwas über diese Feste erzählen?« »Was möchten Sie hören? Etwas, das Menzel in Verruf bringt? Tut mit leid, damit kann ich nicht dienen.« »Aber Sie wissen, was sich dort abspielt und abspielte?« »Nur vom Hörensagen, ich gehöre nicht zu denen, die Gerüchte weitertragen. Andererseits, wenn es stimmt, was man sich erzählt... Aber ich weiß nichts Bestimmtes. Ehrenwort.«
»Was erzählt man sich denn?« »Sagte ich doch schon - Gerüchte.«
»Gut, belassen wir's dabei. Wie war Janina am vergange nen Sonntag? Hat Sie sich vielleicht sonderbar benommen?«
»Sie?« sagte Susanne lachend und trank. »Nein, sie nicht, eher mein Mann. Ihm ist dort nämlich ein Glas in der Hand zerbrochen.«
»Hat er sich verletzt?«
»Nein, um Himmels willen. Es war nur Unachtsamkeit, nichts Schlimmes.« »Kennen Sie Dr. Patanec?« fragte die Kommissarin. »Dr. Patanec? Aber natürlich. Und Sie kennen ihn auch?« »Flüchtig.« Sie hielt inne, fragte: »Was ist mit Menzel selbst? Würden Sie ihm zutrauen...« Susanne Tomlin überlegte einen Moment, dann schüttelte sie den Kopf. »Menzel mag ein Widerling sein, er mag seine Finger in allerlei dubiosen Geschäften haben, aber Mord? Nein, nicht Menzel. Obgleich...« »Obgleich was?« »Ich will nicht schlecht über andere reden, aber sehen Sie sich seine Familie an! Er hat seine Frau zu einem Wrack gemacht. Er hat ihre Seele getötet, langsam, sehr, sehr langsam. Und genau das gleiche macht er mit seinem Sohn.« Sie schien angewidert, ihr
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