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Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Die Combo hatte die Lautstärke hochgefahren, undurchdringliches Stimmengewirr, bei manch einem zeigte der Alkohol erste Wirkung. Tomlin ging an die Bar und holte sich einen Martini, Durant nahm einen Wodka-Orangensaft. Susanne Tomlin stellte sich zu ihrem Mann, flüsterte ihm etwas ins Ohr. Tomlin sagte, auf Durant deutend: »Liebes, das ist Kommissarin Durant von der Kripo Frankfurt. Sie bearbeitet diese gräßlichen Morde. Und dies hier ist meine liebe Frau Susanne.«
Durant reichte Susanne Tomlin die Hand. Sie war eine Idee größer als Durant, ihr Lächeln war nett und unverbindlich, ihr Händedruck damenhaft, der Ausdruck ihrer Augen etwas melancholisch. Gleich darauf machte sie kehrt und mischte sich wieder unter die Gäste. »Sie haben eine sehr schöne Frau«, sagte Durant anerkennend. »Ja, ich weiß«, sagte Tomlin leise, mit abwesendem Blick. Er leerte sein Glas, stellte es auf die Bar und entfernte sich ohne ein weiteres Wort von Durant, gesellte sich zu einer Gruppe von Männern.
Etwa gegen Mitternacht kam Menzel auf sie zu, fragte sie, wie es ihr gefalle, wechselte Belanglosigkeiten mit ihr. Während er sprach, bemerkte Julia Durant, wie allmählich ein süßlicher Geruch die Luft durchdrang, die Stimmung auf einen merkwürdigen Höhepunkt zuzustreben schien. Er entfernte sich von ihr, kam kurz darauf zurück, mit 141 zwei Gläsern in Händen, bat sie, mit ihm anzustoßen, entschuldigte sich bei ihr wegen seiner Unhöflichkeit vorhin. Dabei lächelte er sie offen an, und da sie ihm die Bitte nicht abschlagen wollte, trank sie das dreiviertelvolle Glas, es sah aus wie Blue Curacao, in einem Zug leer. Eine Weile lang verfolgte sie noch das Geschehen, dann wurden ihre Lider schwer, die Arme und Beine bleiern, sie nahm alles nur noch wie durch einen Nebelschleier wahr. Sie ging zur Bar, alle Hocker waren besetzt, sie lehnte sich an, schließlich gaben ihre Beine nach. Das letzte, was sie wahrnahm, war, wie sie aufgefangen wurde.

Dienstag, 21. September, 6.30 Uhr
    Sie öffnete die Augen einen Spalt, das Morgenlicht, obwohl dämmrig, war eine Marter. Ihr Mund war ausgetrocknet, die Zunge klebte am Gaumen, die Arme fühlten sich taub an. Ein gewaltiger Druck lastete auf ihrer Blase. Sie setzte sich stöhnend auf, bohrende Übelkeit in den Gedärmen. Sie mußte ein paarmal würgen, holte tief Luft, um den Reiz zu unterdrücken. Sie blickte um sich und erschrak. Dies war nicht ihre Wohnung, nicht ihr Bett, nicht die Aussicht, die sie morgens gewohnt war. Ihr Schädel schmerzte. Preßlufthämmer und Spitzhacken in ihrem Kopf, sie hielt ihn zwischen beiden Händen. Versuchte, sich zu erinnern. Tomlin, sie hatte einen Termin mit ihm ausgemacht. Und Menzel, der sie angesprochen und mit ihr angestoßen hatte. Danach war ihre Erinnerung wie ausgelöscht. Und jetzt wachte sie in einem völlig fremden Zimmer auf.
Sie stand auf, schwere Beine, Schwindelgefühl. Hielt sich am Bettpfosten fest und versuchte, ihre Gedanken zu ord nen. Öffnete das Fenster, davor eine Reihe dichtgewachsener Bäume, aus denen Vögel lärmend den Tag begrüßten. Die Nacht hatte sich gerade verzogen, Durant blickte zur Uhr, Viertel vor sieben. Der Himmel war wolkenverhangen, es mußte bis vor kurzem geregnet haben, der schmale Streifen Asphalt der Torauffahrt war noch naß. Erst jetzt bemerkte sie, daß sie nackt war, erschrak, malte sich die schrecklichsten Dinge aus. Sie drehte sich um, ihre Sachen lagen ordentlich zusammengelegt auf einem Stuhl. Sie zog schnell ihre Unterwäsche an, anschließend das Kostüm, mit dem sie gekommen war. Überprüfte ihre Handtasche, es fehlte nichts. Was um alles in der Welt war geschehen? Hatte sie sich so gehenlassen? Sie machte die Tür auf und hoffte, auf dem Flur eine Toilettentür zu entdecken. Grünpflanzen reckten sich bis unter die Decke, ein überdimensionales, düsteres Gemälde mit einer mittelalterlichen Kriegsszene hing auf der anderen Seite des Flures. Sie schlich auf Zehenspitzen über den Teppich, aus dem unteren Stockwerk drang das leise Geklapper von Geschirr an ihr Ohr. Sie drückte vorsichtig die Klinke der nächstgelegenen Tür, sie war verschlossen. Bei der nächsten Tür hatte sie mehr Glück. Sie betrat ein luxuriöses, in Hellrosa gehaltenes Bad, das in etwa die Größe ihres Wohnzimmers hatte. Sie befreite ihre Blase von dem Druck, wusch sich ausgiebig Hände und Gesicht, besah sich anschließend im Spiegel, fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar, dachte, es würde wieder einmal

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