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Jung genug zu sterben

Jung genug zu sterben

Titel: Jung genug zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
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Kasten bei mir ins Zimmer stellen. Oder, wenn es schon ein richtiges Baby ist, das einfach nur mal zu sehen   … Kriegen die Alten doch sonst gar nicht mehr geboten. Ich glaube, wenn ich wüsste, dass ich sterben muss, wär das irgendwie   … ein Trost.«
    Stille.
    Prasselndes Feuer.
    Das Hauchen des Rauchabzugs.
    Christine räusperte sich. »Gut. Dann solltet ihr das in Berlin mit den Ärzten besprechen.«
    »Ja«, sagte eines der kleinsten Mädchen, dessen Namen Melina nicht kannte. Sie nickte entschlossen. »Wir habenuns das überlegt. Timo erkundigt sich bei den Leuten vom Hospiz, und ich gehe zu den Neuen im Krankenhaus. Und dann fragen wir die Eltern und die alten Leute, wer von ihnen einverstanden ist.«
    »Es gibt ja nicht bloß Alte, die im Hospiz sind«, sagte Nathan.
    »Nee. Aber ihr wisst, was ich meine. Wir wollen eine Umfrage starten, und dazu brauchen wir mehr Leute. Und da wollten wir fragen, wer mitmacht.«
    Christines Stichwort. »Gut, wer hätte eventuell Interesse, das Projekt zu unterstützen?«
    Einige Arme gingen sofort hoch, andere gemächlicher. Aber – es waren alle.
    Melina kam sich ausgeschlossen vor.
    »Super«, konstatierte Christine. »Wir kommen zur letzten Gruppe? Tina, Schippi und? – Nathan! Last but not least. Also bitte!«
    »Ja«, sagte Nathan, »wir haben jetzt nicht so was Großes. Kein Projekt oder so was. Ich glaube, wir haben die Aufgabe falsch verstanden.«
    »Wieso?«, fragte Christine.
    »Wir haben einfach ein Bild gemalt. Mit uns drauf, sozusagen. So eine Art Porträt, oder was uns so einfällt und so.«
    »Das ist doch gut, Nathan. Warum soll damit das Thema verfehlt sein? Lasst es uns mal sehen.«
    Die beiden anderen entrollten umständlich eine Pappe, die aus vier Bögen zusammengeklebt war.
    »Ja, also, wie man sieht«–   er kicherte verlegen   –»oder auch nicht   … Das sollen wir sein. Da   – Schippi, ich und Tina. Wir haben uns da einfach mal so gemalt, wie wir gerade im Institut sind, bei so einem Test. Wir dachten, wir machen was, was ihr ja alle kennt.«
    Christine nickte. »Na, das finde ich   … das ist doch gut getroffen. Guck mal, da sieht man sogar Schippis Kappe, oder?«
    Melina betrachtete die Zeichnung.
    In der unteren Hälfte sah man drei Betten mit drei Menschen. Die Jugendlichen hatten nur schwarz gemalt. Vielleicht war auch eine andere dunkle Farbe dabei, aber im Schein der Flammen sah alles schwarz aus. Die drei Menschen hatten die Arme von sich gestreckt in ihren Betten. An ihren Körpern klebten Elektroden, und an den Elektroden hingen Kabel. Die Körper der drei Liegenden waren übersät mit Elektroden, ihre Beine und Arme waren umwickelt mit Kabeln. Vor allem aus dem Kopf ragten Kabel wie Medusenschlangen.
    Alles war schwarz gemalt. Die Elektrodenkabel schienen die Jugendlichen an ihren Betten festzuschnallen.
    Niemand sprach.
    Ole und Kit hatten ihre Köpfe aneinandergelehnt.
    Die drei rollten ihre Pappe zusammen.
    Leiser Applaus.
    »So, ihr Lieben   … Bevor es Zeit wird   … Ich möchte euch sagen, dass ihr tolle Präsentationen vorgelegt habt. Alle. Ihr könnt stolz auf euch sein. Morgen ist ein neuer Tag, da geht es wieder rund. Also schlaft euch aus. – Ich weiß, ihr findet Singen ziemlich blöd. Aber will jemand von euch noch was sagen? Etwas, das euch am Herzen liegt?«
    Melina sah sich um. Es sah nicht so aus.
    Tina stand auf und setzte sich näher an das Feuer. »Ich hab mal mit meinem Großvater ein Lagerfeuer gemacht. Alle waren da, ganze Familie. Haben gegrillt oder so ’n Quatsch. Gesoffen und dummes Zeugs gelabert. Und dann sind wir beide noch mal allein zum Feuer hin. Da war erecht schon klapprig auf den Beinen. Und dann haben wir uns davor gehockt, und er hat im Feuer gestochert. Die Funken sind geflogen. Ich glaub, das war das letzte Mal, dass ich mit ihm gesprochen habe. Er war immer lustig. Hat mir zugehört. Ganz anders als meine Eltern. Die waren irgendwo und haben sich wahrscheinlich wieder gestritten. Weil die Hecke schief geschnitten war oder die Steuer zu hoch oder der Handwerker zu blöd. Mein Opa   … hat seine Hand auf meinen Kopf gelegt. Als ob ich ein kleines Baby wäre. Ich hab gemerkt, dass er gezittert hat. Er war eben alt. Hat nach Apfel gerochen. Fällt mir grad ein. Und dann hat er zu mir gesagt: Weißt du,
mein
Mädchen, die Holzscheite da, die haben lange gelagert hinter dem Haus. Und der Baum, von dem sie stammen, der war alt. Die ganze Sonne, die den Baum hat wachsen lassen,

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