Jung, sexy und beliebt
Waverly-Schüler mussten eine Sportart betreiben, und Jenny hatte sich für Hockey entschieden, das ihr die typischste Internats-Sportart zu sein schien. Aus dem gleichen Grund wollte sie im nächsten Halbjahr Lacrosse spielen. Jenny besaß nicht mal einen Hockey-Schläger, aber die drahtige Trainerin, Alice Smail, hatte im Sportgebäude einen CranBarry-Schläger gefunden, der übrig war, und Jenny hatte schnell festgestellt, dass ihr Hockey ausgesprochen lag.
»Bist du sicher, dass du an deiner Schule nie gespielt hast?«, fragte Coach Smail. Als ob Jenny so etwas hätte vergessen können. Die Mittelstürmerin ihres Teams, Kenleigh, die Jenny auf der Party am Abend zuvor gesehen hatte, murmelte: »Guter Schlag«, während Jenny zur Seitenlinie zurücklief. Vielleicht schaffte sie es ja sogar in die Schulmannschaft!
»Dieses Jahr haben wir einige neue Lehrer im Kollegium, die ich euch gerne vorstellen möchte«, verkündete Dekan Marymount. Jenny warf einen Blick auf die Uhr. Sie saßen nun schon vierzig Minuten hier, hatten die Waverly-Schulhymne und die Waverly-Sporthymne gesungen und das Waverly-Gebet an den heiligen Franziskus heruntergeleiert; sie hatten geklatscht, als Marymount die Sprecher der einzelnen Klassen vorgestellt hatte. Jenny starb vor Hunger. »Als Ersten haben wir hier einen unserer Ehemaligen, der kürzlich sein Examen an der Brown-Universität gemacht hat – Mr Eric Dalton. Mr Dalton wird der neue Geschichtslehrer der Mittel- und Oberstufe sein und ist außerdem Vertrauenslehrer im Disziplinarausschuss. Überdies ist er zweiter Trainer der Jungenmannschaft. Willkommen!« Alle klatschten bereitwillig.
Zwei Reihen vor sich sah Jenny Brett, die gerade gebeten worden war, aufzustehen und ihren Mitschülerinnen in ihrer Eigenschaft als Jahrgangssprecherin zuzuwinken. Jenny sah, wie Brett ihre dunkelhaarige Nachbarin mit dem Ellbogen anstieß und stumm die Worte Oh Gott! formte.
»Außerdem möchte ich alle Neuzugänge herzlich willkommen heißen – Waverly ist euer neues Zuhause und wir sind eure neue Familie«, fuhr Marymount fort. »Und nun zu guter Letzt – viel Vergnügen beim Abendessen!«
Die Menge applaudierte und jubelte ungestüm und strömte aus der Kapelle über den großen Rasen auf das Speisesaalgebäude zu. Jenny blieb die Luft weg, als sie eintrat. Der Speisesaal sah aus wie das Innere einer alten englischen Kathedrale. Die Wände waren bedeckt mit Klassenfotos, die bis 1903 zurückdatierten, und mit zahlreichen Bildern von Maximilian Waverly, dem Schulgründer.
Die Schüler wimmelten umher, küssten sich und schlugen die Hände aneinander. Jenny wusste nicht so recht, was sie tun sollte. Wo sollte sie sich hinsetzen?
»Ziemlich turbulent hier drin, oder?«
Jenny drehte sich um in der Hoffnung, dass Heath endlich aufgetaucht war. Stattdessen stand der Junge mit der Staffelei vor ihr, den sie gestern mit Yvonne auf dem Rasen gesehen hatte. Easy. Zumindest glaubte sie, dass er so hieß.
Seine Haare waren so dunkel, dass sie fast schwarz wirkten, und seine Augen waren tiefblau. Unter dem Waverly-Blazer trug er ein verwaschenes grünes T-Shirt mit den gelben Umrissen eines Hufeisens. Es sah ein bisschen aus wie die cool abgerissenen T-Shirts, die man bei Barneys für fünfundsechzig Dollar bekam, aber seines sah eindeutig echt abgerissen aus. Seine Stimme war rau, und er hatte einen Akzent, den sie nicht so recht einordnen konnte.
»Schon ein bisschen, ja«, stimmte ihm Jenny zu. Sie trat zur Seite, damit er vorbeikonnte. Aus seiner grünen Umhängetasche ragte ein Zeichenblock hervor. Das oberste Blatt enthielt Skizzen von Augen, Nasen und Mündern. »Ach, machst du Porträtmalerei?«
»Ja. Du auch?«
»Äh, also, ja, ich auch.« Jenny schwieg und versuchte sich zusammenzureißen. Du bist jetzt die Neue Jenny, ermahnte sie sich.
»Cool.« Easy klatschte einen Jungen ab, der eben reinkam. »Also, bis später dann.« Er lächelte Jenny zu.
»Hey«, begrüßte sie eine vertraute Stimme von hinten. Sie drehte sich um und lächelte Brandon an, der in seinem braunen Waverly-Blazer und der gestreiften Krawatte noch niedlicher und frischer als gestern aussah – wenn das überhaupt möglich war. »Das ist das offizielle Eröffnungsessen. Es gibt eine Sitzordnung. Du bist bei mir am Tisch.«
»Aha. Danke.« Jenny lächelte dankbar und folgte ihm durch den überfüllten Speisesaal. »Sag mal, äh, wie lange ist die Party gestern Abend denn noch gegangen?«
»Ach, wie immer.«
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