Jung, sexy und beliebt
pinkfarbene diamantbesetzte Chopard-Uhr ziemlich aufgesetzt.
»Sie wollten mich sprechen?«
Miss Emory sah von ihrer Tastatur auf. Sie kniff ein Auge zu und verzog ihren riesigen Mund zu einem spöttischen Grinsen. Sie sah aus wie ein durchgeknallter weiblicher Popeye. Warum hatte Callie nicht eine nette Vertrauenslehrerin bekommen können, wie zum Beispiel Mrs Swan, die ihre Schützlinge dreimal im Jahr zur Metropolitan Opera mitnahm? Oder wie Mr Bungey, der an Weihnachten für seine Schüler Partys gab, auf denen man Scotch probieren durfte, und der sich ihre ganzen Beziehungsprobleme anhörte? Aber nein, sie hatte bei dieser verrückten Popeye-Tante landen müssen, die ihre Stricknadeln wahrscheinlich dazu benutzte, ihren Schützlingen in den Hintern zu piksen, wenn sie sich nicht benahmen.
»Mr Pardee hat mich angewiesen, mit Ihnen zu reden«, verkündete Miss Emory direkt. »Er sagte, dass man Ihren Freund gestern Abend in Ihrem Zimmer erwischt hat. Nach der Sperrstunde.«
Callie holte tief Luft, um sich zu wappnen. Sie hatte zwar jahrelange Übung darin, ihrer Mutter etwas vorzulügen, aber es machte sie immer noch nervös. »Das stimmt«, fing sie an. »Mein Freund war da. Aber er hat nicht mich besucht, sondern meine Mitbewohnerin Jenny.«
»Und woher wissen Sie das?«
Callie runzelte die Stirn. »Weil … weil ich nicht dort war.«
Miss Emory warf ihr einen misstrauischen Blick zu. »Hmmm.« Sie fing an, etwas auf ihrer Tastatur zu tippen. Callie bemerkte, dass ihre Fingernägel völlig abgekaut waren.
Scheiße. Bedeutete das Hmmm von Miss Emory, dass Jenny gepetzt hatte? Das konnte sich Callie nicht vorstellen. Sie hatte das Glitzern in Jennys Augen gesehen: Jenny war hungrig. Warum sonst wäre sie wohl – quasi uneingeladen – auf der Party in Richards aufgetaucht? Wenn ihr die Waverly-Rangordnung egal wäre, hätte sie sich mit dieser Streberin Yvonne angefreundet. Nein, Jenny wollte mehr als das, da war sich Callie sicher.
»Hören Sie«, fuhr sie achselzuckend fort, »ich weiß nicht, was passiert ist. Ich war lernen. Es war kurz vor der Sperrstunde, und als ich zurückkam, war nur Jenny da. Easy war schon fort. Mr Pardee redete mit Jenny.«
»Mmhm. Nun gut. Sie und Easy, sind Sie denn kein Paar mehr?«
Callie wand sich. Das fürchterliche Ich liebe dich hing immer noch unbeantwortet zwischen Easy und ihr, und jede Sekunde, die verging, ohne dass er es erwiderte, gab ihr ein demütigenderes Gefühl der Verletzlichkeit. Wenn sie nicht bald miteinander schliefen und sich endlich sagten, wie sehr sie sich liebten, musste sie womöglich den psychologischen Beratungsdienst in Anspruch nehmen wie die ganzen Mädchen, die von den Ponyzeichnungen auf ihren Notiztafeln traumatisiert waren.
»Nein«, log sie, »wir sind nicht mehr zusammen.«
»Tatsächlich.« Miss Emory starrte sie durch ihre eckige schwarze Brille an. »Sie und Mr Walsh sind nämlich erst gestern bei den Stallungen gesehen worden.«
»Wir … wir haben gerade Schluss gemacht«, brachte Callie stotternd heraus. Ihr Hals war ganz trocken. »Ich … ich möchte lieber nicht darüber reden, wenn das in Ordnung ist.« Dieser verdammte Ben! Diese verdammte Lehrerschaft samt allen Beschäftigten, die mit den Schülern auf dem Campus lebten und über jedes beschissene intime Detail ihres Lebens Bescheid wussten!
»Hmmm«, machte Miss Emory wieder und sah aus, als glaube sie Callie kein Wort. »Sie sollten sich lieber benehmen. Das mit letztem Jahr ist noch nicht vergessen.«
»Okay«, krächzte Callie.
Miss Emory fing wie wild zu tippen an. Das war normalerweise Callies Stichwort, um sich zu verdrücken. Heute aber hätte sie am liebsten den Hals verrenkt, um zu sehen, was Miss Emory da schrieb – wahrscheinlich einen Drei-Punkte-Plan, wie sie Callies Leben ruinieren wollte.
Callie rannte in den Klassenraum zurück und freute sich fast, in die beruhigende Welt der Konjugation lateinischer Verben zurückzukommen. Wenn Miss Emory herausfand, dass sie gelogen hatte und dass Easy doch sie besucht hatte, dann würde man sie auf jeden Fall rausschmeißen, vor allem nach dem E-Vorfall im letzten Schuljahr. Dann würde ihre Mutter sie enterben, und sie würde bei ihrer Tante Brenda leben müssen, die nach Fisch stank und im langweiligsten Vorort von Atlanta wohnte. Man würde sie zwingen, auf eine katholische Schule mit bleichen, pickeligen Schülern zu gehen, deren Vorstellung von einem aufregenden Abend darin bestand, auf dem Parkplatz
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