Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)
sehe ich schon sein enttäuschtes, hungriges Gesicht vor mir, wie er in den Korb hineinschaut, und dann ist da bloß gähnende Leere! Ansonsten ist Jens ein sehr guter Schwimmer, das muss man ihm lassen. Tauchen kann er auch wie eine Eins, ich zähle mit, er bleibt über eine Minute unter Wasser. Keine Ahnung, wie er das macht. Als ich einmal auf der Hälfte der Tonkuhle angekommen bin, wo es am tiefsten ist und am weitesten vom Ufer entfernt, kommt er angeschwommen wie ein Weltmeister und duckert mich unter, bis ich voll Panik bekomme und laut zu schreien anfange:
«HILFE, HILFE!»
Sofort mischt sich Manfred ein:
«EY, LASS IHN MAL GANZ SCHNELL IN RUHE HIER!»
Ich glaube, ihm geht es gar nicht um mich, sondern um den Lärm, den ich veranstalte, er hat wohl Angst, dass durch mein Geschrei jemand aufmerksam wird auf uns. Jens lässt mich jedenfalls sofort los und wird mich sicher auch nicht wieder anfassen, sonst kriegt er es mit Manfred zu tun, und gegen den hat er niemals eine Chance. Niemals. Doof, dass auch Jens Raucher ist und ich wohl oder übel mitbarzen muss. So richtig habe ich mich immer noch nicht daran gewöhnt. Ich werde mir morgen eine Packung Kippen besorgen und vor dem Mittagessen Rauchen üben. Gegen meine Fahne gibt’s ja Katjes.
Als ich erst um kurz vor halb sieben nach Hause komme, zieht Oma Emmi ein langes Gesicht.
«Das ist aber nicht schön, dass du schon wieder so lange weg warst, Mathias.»
«Tut mir leid. Das ist wegen Jens Ristoff, der ist wieder da, und deshalb.»
Schon klar, dass das keine Begründung ist, aber Oma Emmi lässt es gelten. Sie hat schon Abendbrot gegessen, leistet mir aber Gesellschaft und trinkt eine Tasse kalten Hagebuttentee. Wie sie so dasitzt und die abgestandene Plörre trinkt, tut sie mir leid, und ich nehme mir vor, mich mehr um sie zu kümmern, schließlich opfert sie sich tagtäglich für mich auf und liest mir jeden Wunsch von den Augen ab. Wenn ich sie dann aber nur immer mit Frau Donath und Herrn Brettschneider allein lasse, hat sie nichts und wieder nichts von meinem Besuch, und wer weiß, ob sie es sich nicht wirklich anders überlegt und ich beim nächsten Mal nicht wiederkommen darf. Morgen werde ich zur Abwechslung jedenfalls mal die Einkäufe erledigen.
Der Kirschendieb
Die Zeit vergeht wie im Flug. Ich verbringe meine Tage an der Tonkuhle, entweder mit Manfred oder Jens oder mit beiden zusammen. Eigentlich sind drei ja eine schlechte Kombination, weil sich für gewöhnlich zwei zusammentun und der Dritte nichts zu lachen hat, aber bei uns nicht. Manfred ist sowieso mit Abstand der Stärkste; wenn er auf uns Schwächere losginge, wäre das unfair. Aber er hätte auch nichts davon, denn dann könnte er in Zukunft alleine losziehen. Ich als Städter bin sowieso unterlegen, außerdem bin ich nicht einer von ihresgleichen, und sie trauen sich schon deshalb nicht richtig an mich heran, weil es dann richtig Ärger geben würde.
Ich mache meinen Vorsatz wahr und übe vor dem Mittag Rauchen. Lux, wie Manfred. Per Zufall entdecke ich ein paar Tage später die Marke «John Players Navy Cut». Die schmeckt zwar wie Knüppel auf den Kopp, aber die Schachtel ist die schönste und edelste, die ich je gesehen habe. Die Sorte hat 1,0 Prozent Nikotin und 14 Prozent Kondensat, stärker geht es kaum noch, fast so stark wie Drogen. In Harburg würden sie die mir im Tabakladen nie und nimmer verkaufen, aber hier auf dem Land ist es egal. Mein ganzes Taschengeld geht drauf für Zigaretten und Katjes, aber Oma Emmi was zu klauen kommt nicht in die Tüte, außerdem wäre es zwecklos, denn sie weiß, glaube ich, auf den Pfennig genau, wie viel sie im Portemonnaie hat. Um des lieben Friedens willen helfe ich ihr jetzt immer bei den Einkäufen, und ich unterhalte mich mindestens eine halbe Stunde täglich mit ihr und achte darauf, abends spätestens um Viertel nach sechs zu Hause zu sein, das geht gerade eben noch so.
Am Sonntag hatte ich dann doch noch ein sehr unangenehmes Erlebnis: Da Kempermanns wieder mal vor Ort waren, mussten wir uns wohl oder übel etwas anderes einfallen lassen. Daraufhin hatte Manfred die Idee, einen Reitausritt zu unternehmen. Jens war auch dabei, und selbst der kleine Kai mit seiner Mongobrille durfte mit. Obwohl ich tierisch Schiss hatte, musste ich gute Miene zum bösen Spiel machen, sonst wäre der Schwindel aufgeflogen, und bisher ist noch keine Lüge richtig aufgeflogen, weder das mit den Zigaretten noch das mit dem Schießen, und so
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